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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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geträumt. Aber es war so furchtbar. «
    Gregor hielt sich den mit einem Leintuchfetzen notdürftig verbundenen Arm und fragte zögerlich in das Halbdunkel
des Sternenzimmers hinein: »Was hast du denn geträumt? «
    Helena seufzte. »Ich will nicht darüber reden.« Sie wollte nicht an Friedemar denken, nicht an ihr Notizbuch und nicht an den furchtbaren Irrtum. Es schmerzte sie zu sehr, sich einzugestehen, dass sie die Milch aus dem Euter kranker Kühe für das Mittel gegen die Blattern gehalten hatte. Dabei war sie sich so sicher gewesen. Die Euterkrankheit war nur bei ihren eigenen und bei den Kühen dieser vier Familien aufgetreten. Und gleichzeitig trank man die Milch der kranken Kühe nur bei Friedemar, bei ihr zu Hause und den übrigen Familien. Und dabei war niemand von ihnen an den Schwarzen Blattern erkrankt! Bis die letzte Seuche gekommen und ihre Großmutter daran gestorben war.
    »Wenn du mir nicht von deinem Traum erzählen willst, dann lass uns versuchen weiterzuschlafen.« Gregor fasste nach seinem Arm und lächelte gequält. »Falls mir das noch einmal gelingt nach dieser Rosskur.«
    Sie lagen nebeneinander auf dem Rücken und nach einer geraumen Zeit der Stille, als Gregor bemerkte, dass auch sie noch wach war, begann er, ihr vom Krieg zu erzählen. Mit leiser Stimme berichtete er von politischen Dingen und von Schrecken, die er auf dem Schlachtfeld gesehen hatte. Er redete sich alles von der Seele, obwohl Helena es gar nicht hören wollte, und sie war erleichtert, als seine Stimme undeutlicher wurde, er schließlich verstummte und sein Atem tief und regelmäßig wurde. Der Wein aus dem Krug, den er gegen die Schmerzen auf ihren Befehl hin ausgetrunken hatte, zeigte offenkundig doch noch seine Wirkung.
    Helena hingegen verbrachte den Rest der Nacht mehr dösend als schlafend. Jede noch so kleine Bewegung von
Gregor, jegliches Zucken neben ihr, und sie war hellwach. Aber besser er lag neben ihr und hielt sie vom Schlafen ab, als dass er sich zu Aurelia schlich und sie womöglich ansteckte. Ihre Gedanken drehten sich, und es dauerte lange, bis sie endlich in den Schlaf fand.
    Im Morgengrauen schreckte sie hoch. Jemand machte sich an der Tür zu schaffen. Es schabte und sägte. Friedemar? Die Flucht war zu Ende … Friedemar hatte sie gefunden! Sie starrte mit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit. Wie war ihm das bloß gelungen? Müßig, darüber nachzudenken. Ihm gelang alles.
    Das sägende Geräusch wurde lauter. Bald hatte er es geschafft … Helena versuchte, Gregor wach zu rütteln. Warum schien ihr das Geräusch plötzlich so nah? Helena kam vollends zu sich. Gregor! Sein Schnarchen hatte sie aus ihrem unruhigen Schlaf gerissen.
    Gregor blinzelte und schaute sie schlaftrunken an. »Was ist denn jetzt wieder los? Du bist ja schweißgebadet!«
    Helena atmete schwer. »Jetzt habe ich geträumt, dass jemand die Türe aufbrechen wollte …«
    Er setzte sich im Bett auf und ordnete mit dem gesunden Arm seine verfilzten Haare, was der Mühe nicht wert war. »Helena, mich suchen sie, nicht dich. Da hat dir deine Seele wohl einen gehörigen Streich gespielt.«
    Helena war nun putzmunter, keine Spur mehr von Müdigkeit in ihr, und setzte sich auf die Bettkante. Sie betrachtete ihre Füße, als sie sagte: »Es wird wohl auch nicht mehr lange dauern, bis man mich gefunden hat.«
    »Wer ist überhaupt hinter dir her? Dein Mann?«
    Helena gab auf. Für diesen Gregor schien sie ein offenes Buch zu sein. »Ja. Vielleicht auch sein Vater. Vielleicht
das ganze Dorf. Ich weiß es nicht und will es auch nicht wissen.«
    »Unsinn, weshalb sollten sie dich suchen? Hast du etwas angestellt?« Seiner Stimme war anzuhören, dass er über diesen Gedanken regelrecht belustigt schien.
    »Ich bin der Schlüssel zu seiner Obsession, ich bin sozusagen sein Wissen.«
    »Was meinst du damit?« Gregor setzte sich neben sie auf die Bettkante. »Hat es etwas mit deiner Heilkunst zu tun? Ist er an deinem Wissen interessiert? Bist du womöglich eine kleine, verschrobene Kräuterhexe?« Er boxte sie leicht mit seinem gesunden Arm in die Seite.
    »Dann würde mich Friedemar wohl kaum heiraten wollen. Nein, ich bin keine Hexe. Das sagt nur der Äskulap«, setzte sie verbittert hinzu.
    »Das sieht ihm ähnlich.« Gregor zog missbilligend die Augenbrauen hoch. »Dann richte dem werten Dottore aus, dass dir dazu allerdings die roten Haare fehlen. Du hast nämlich eindeutig …« Er verstummte.
    »Meine Haare sind straßenköterfarben,

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