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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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Stunde später ging. Das Kissen unter ihrem Hintern ließ die Taille wie durch Zauberhand schmaler erscheinen, nur das Atmen fiel ihr schwer unter dem strammen Mieder. Das Quälholz steckte senkrecht im Mieder und verstärkte dieses Gefühl noch, aber es half auch dabei, eine gerade Silhouette zu formen und den leicht hervorquellenden Leib mit aller Gewalt zurückzudrücken. Irgendwann würde sie es der Zofe heimzahlen … Doch allzu bald würde das Schnüren ohnehin nicht mehr möglich sein. Dann musste sie ihr Geheimnis preisgeben, denn sie könnte nicht wie ein Dorfweib die Umstände unter einem miederlosen Kleid verbergen und einfach im Wald den Rock heben, wenn es so weit war.
    Während sie den Flur entlangging, streichelte sie wie zufällig über ihren Bauch. Die Wölbung war trotz des Mieders zu erahnen, aber noch konnte man das auf die gute Kost in Wien zurückführen. Sie ließ ihre Hand auf der kleinen Rundung ruhen und spürte die Wärme, die davon ausging. Wie es wohl sein mochte, wenn sie zum ersten Mal die Haut des Säuglings berührte, wenn sie ihn zum ersten Mal im Arm hielt?
    Aurelia löste die Hand von ihrem Bauch und traute sich kaum, an ihr Vorhaben zu denken. Sie hatte Angst, dass es das Ungeborene fühlen könnte. Doch sie wusste sich keinen anderen Rat, als nun die lateinischen Namen austreibender Mittel nachzuschlagen, um danach die richtige Medizin beim Äskulap entwenden zu können.
    Auf den Gängen war es ruhig; alle Türen waren geschlossen. Ihre Schritte hallten durch den langen Flur, und je näher sie dem Eckzimmer kam, desto mehr verlangsamte sich ihr Schritt. Nach kurzem Zögern fasste sie nach der eisernen
Türklinke; sie fühlte sich kühl an in ihrer Hand. Aurelia drückte sie nieder und betrat die Bibliothek.
    Der Geruch von Buchleder umfing sie und verstärkte ihre Unruhe. Obwohl die herbstliche Sonne durch das Erkerfenster schien, reichten die Strahlen lediglich bis an die vordersten Regale. Aus den dunklen Regalzwischenräumen hoben sich schemenhaft die goldgeprägten Rücken der Folianten hervor.
    Der Widerhall ihrer Absätze erfüllte den Raum, und sie bemühte sich leise aufzutreten, als ginge sie durch eine Grabkapelle. Aurelia sah sich um, sie fühlte sich beobachtet. Die Marmorbüsten blickten finster drein, als sie zwischen jedes Regal spähte. Doch es war niemand da, weder bei der Religion noch bei Justitia . Sie blieb bei den Büchern stehen, über denen die Säulen der Akropolis aufgemalt waren. Gregor hatte immer von diesem Land geträumt. Viel mehr aber noch war er von den großen Philosophen begeistert gewesen, von deren Versuch, die Ordnung der Welt zu begreifen. Das war auch sein Wunsch gewesen. Nun war es womöglich zu spät.
    Der Ledergeruch vermischte sich mit Weindunst, je näher sie dem Erkerfenster kam. Tatsächlich standen neben dem Bett ein voller Weinkrug, ein weiterer stand leergetrunken auf dem Studiertisch zwischen einer angefangenen Partie Schach und einem Stapel Bücher. Es sah aus, als hätte jemand den Platz fluchtartig verlassen.
    Aurelia nahm das oberste Buch vom Stapel und hob den mit goldenen Dreiecken und Rauten verzierten Lederdeckel an, in der unsinnigen Hoffnung, darin etwas über austreibende Mittel zu finden. Auf dem harten, leicht welligen Papier stand in sauber gedruckten Lettern: Aristotelis de poetica
liber. Aristoteles. Sie spürte Gregor ganz nah bei sich. Für einen Moment hatte sie das irritierende Gefühl, die Schrift mit seinen Augen zu betrachten. Aurelia drehte sich um, ihr Atem ging schneller, doch sie sah nur das leere Strohbett und den dunklen Gang.
    »Gregor?«, flüsterte sie in die Lautlosigkeit und erschrak vor ihrer eigenen Stimme. »Bist du da?« Plötzlich hatte sie Angst vor dem Augenblick, in dem er vor ihr stehen würde, davor, ihm die Wahrheit zu sagen.
    Doch es blieb still. Niemand antwortete ihr, denn die Hoffnung konnte nicht sprechen. Sie war allein. Allein mit der Hoffnung und dem Kind im Leib. Wie sollte es nur mit ihr weitergehen? Selbst wenn sie ihre Umstände bis zum Tag der Niederkunft verheimlichen könnte, bei dem Gedanken an die Geburt wurde ihr übel. Wenn sie das überlebte, sah sie sich in Lumpen gehüllt und mit dem Säugling auf dem Arm vor dem Richter stehen. Das Urteil würde keine Gnade kennen. Der starke Wille einer Frau, die trotz höllischer Schmerzen ein uneheliches, gesundes Kind auf die Welt gebracht hatte, musste auf immer gebrochen werden. Denn so etwas durfte es nicht geben. Einzig

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