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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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Besser zu stark als zu schwach, weilen sonsten man dem Patienten die Schmerzen in der Not noch vermehre. Wo mit den Händen nicht stark genug gezogen werden kann, so nehme man ein Seil oder Tuch zur Hilfe. Reicht dies nicht zum Zwecke, gebrauche man noch weitere Personen, um …
    »Helena …« Er schlug die Augen auf. »Mein Arm … Was … was hast du gemacht?«
    »Ich habe eine Fontanelle gelegt. Die Stelle wird sich entzünden und damit weitere Heilkräfte an deine alte, angeblich verheilte Wunde locken.«
    »Ich wollte dir keine Umstände machen«, sagte er zerknirscht. »Ist die Verletzung sehr schlimm?«
    »Das wird schon wieder«, beruhigte sie ihn. »Mehr Sorgen mache ich mir um diese Anfälle.«
    »Die Ärzte sagen, es sind die Nerven. Als ich noch klein war, hielt man es zunächst für die merkwürdige Form einer Kinderkrankheit, die wohl mit der Reifezeit verschwinden würde. Mit sieben Jahren aber kamen die ersten richtigen Anfälle mit Kopfschmerzen, Zähneknirschen, Zittern und Weinen. Später wurde ich dabei auch bewusstlos und biss mir häufig die Zunge blutig. Man sagte mir, ich würde an einer Krankheit leiden, die nur besonders begabte und feinfühlige Naturen treffen würde. Aber das war mir nur ein schwacher Trost. Mit stoischem Willen habe ich in der Armee gedient, aber dort ging es mit meinen Anfällen erst richtig los. Im Graben bin ich plötzlich zusammengebrochen oder mitten im Angriff vom Pferd gefallen. Aber selbst der Feldarzt konnte nichts dagegen tun.«
    Helena war dem Bericht reglos gefolgt. »Aber, man muss doch etwas dagegen tun können!«

    »Nein. Es gibt nun einmal Krankheiten, die sind Gottes Wille. Ich habe mich doch auch schon vom Leibarzt untersuchen lassen. Er sagte, es gäbe kein Gegenmittel. Und wenn er nichts weiß, dann weiß niemand etwas.«
    »Da wäre ich mir nicht so sicher …«, murmelte Helena.
    Er überging ihren Einwand und brachte sich in eine sitzende Position. »Nun ist es ja wieder vorbei. Hilfst du mir aufzustehen? Mein Arm schmerzt ziemlich.«
    »Gregor, das geht jetzt nicht. Noch nicht. Setz dich bitte auf den Stuhl hier und trink auf der Stelle den Weinkrug leer …«
    »Aber wieso?«
    »Bitte frag jetzt einfach nicht weiter.«

    Schemenhaft erhoben sich Gestalten aus ihren Betten, als Helena einen höhlenartigen Raum betrat. Es roch nach Fäulnis und Tod. Von allen Seiten kamen die Blatternkranken auf sie zu. Blatternkranke, deren nackte, ausgezehrte Leiber von schwarzen Käfern übersät waren. Die Käfer krabbelten über ihre Beine, den Bauch entlang, am Hals hinauf, über Lippen und Augen, bis sie sich irgendwo unter die Haut fraßen und dort kleine Knoten bildeten. Die spindeldürren Gestalten streckten ihre Arme nach ihr aus, der Kreis um sie wurde enger. Einer der Kranken trat mit einem Milchkrug in der Hand auf sie zu. Er streckte den Arm aus, und mit einem eiskalten Lächeln goss er den Inhalt über ihr aus. Schlagartig bildeten sich Blattern auf ihrem Körper, dicke Pusteln wucherten auf ihren Armen und Händen. Helena schlug um sich, versuchte sich aus dem enger werdenden
Kreis zu befreien. Sie fand eine Lücke und flüchtete keuchend in den nächstgelegenen Raum.
    Dort war es ruhig. Sie tastete in der Finsternis die Wände nach einem Ausgang ab. Nichts. Es gab keine Türe, nur die glatte Steinmauer. Selbst der Durchgang zurück war verschwunden. Wie ein getriebenes Tier hetzte sie von einer Seite auf die andere; trommelte mit den Fäusten gegen den Stein, bis sie immer schwächer wurde. Ihre Schreie wurden leiser und schließlich sank sie entkräftet zu Boden.
    Höhnisches Gelächter ertönte: »Warum tust du denn nichts? Tu doch etwas, tu endlich etwas!«
    Plötzlich öffnete sich die Wand vor ihr und gab den Blick in ein Verlies frei. Karges Licht fiel auf ein kleines Mädchen, das sich auf einem Strohsack zusammenkauerte. Die Blattern hatten das Gesicht des Mädchens entstellt, die Haut war fahl, von Knoten überzogen und zum Bersten gespannt. Helena wurde erneut von den Gerippen umzingelt, mit erbarmungslosem Griff schleppte man sie dicht vor das Lager des sterbenskranken Mädchens. Ein kalter Atemhauch streifte ihr Gesicht.
    »Hier, sieh zu, wie die kleine Lea stirbt!«
    »Nein! Neiiin, neiiiin …«

    »Helena, wach auf! Hör auf mich zu schlagen! Ich bin dir nicht zu nahe gerückt. Ehrlich!«
    »Oh, Gott.« Helena atmete tief durch und versuchte sich zu besinnen. Krampfhaft bemühte sie sich, die Augen offen zu halten. »Ich habe nur

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