Maedchenauge
mit der Putzfrau?«
»Die habe ich am Nachmittag vernommen«, sagte Kovacs. »Sie kriegen noch heute das ausführliche Protokoll, Frau Doktor.«
»Vielleicht eine kurze Zusammenfassung?«, bat Lily.
»Zuerst war sie extrem zurückhaltend. Ich habe ihr zugesichert, dass alles unter uns bleibt und wir die Schwarzarbeit nicht weitermelden. Dadurch wurde sie gesprächiger. Sie hat die Namen Tom und Nicole nicht gekannt. Aber sie hat sie auf den Phantombildern identifiziert und angegeben, beide ein paarmal in der Wohnung flüchtig gesehen zu haben. Außerdem hat sie erzählt, dass sie am Montag und am Donnerstag dort geputzt hat …«
»Zweimal wöchentlich?«
»Genau.«
Metka schmunzelte. »Mir würde es schon reichen, wenn jemand einmal pro Woche zu mir zum Putzen kommt.«
»Sie sagen es, Frau Metka … Und weiter, Herr Kovacs?«
Kovacs überflog sein Gesprächsprotokoll. »In der Wohnung hat sie zwischen dreizehn und fünfzehn Uhr gearbeitet. Einmal, als sie hingekommen ist, hat Selma Jordis sie wieder weggeschickt. Dabei hat sie im Hintergrund diesen Tom gesehen, halb bekleidet. Er und Selma hätten verschlafen ausgeschaut, wie gerade erst aus dem Bett gestiegen. Und in der ungelüfteten Wohnung soll es muffig gerochen haben, ein irgendwie unangenehmer, schwerer Duft, leicht verfault und süßlich … Selma Jordis hat ihr aufgetragen, niemandem zu sagen, dass sie weggeschickt worden ist. Dabei war sie streng und aggressiv. Angeblich ungewöhnlich für das Mädchen. Jordis hat sogar gedroht, dass sie ihre Arbeit verlieren könnte, falls sie etwas weitererzählt. Beim nächsten Mal ist Selma Jordis dann wieder so nett wie immer gewesen.«
»Ziemlich eindeutig«, sagte Belonoz kühl.
Lily lehnte sich zurück. »Selma hat mit dem Unbekannten Sex gehabt, er hat bei ihr übernachten dürfen. Und was den Geruch in der Wohnung betrifft …«
»Könnte Cannabis gewesen sein.«
»Warum nicht?«
»Das ist ja lustig«, sagte Metka. »Ich habe Ulla Koppel routinemäßig gefragt, ob ihre Freundin schon einmal Drogen konsumiert hat. Sie hat blöd gelacht und behauptet, dass Selma bestenfalls Alkohol getrunken hat. Und bestenfalls alle heiligen Zeiten.«
»Sonst noch was, Herr Kovacs?«
»Eigentlich nur, dass Jordis an sich als ordentliche Person bekannt war. In letzter Zeit dagegen hat sich die Wohnung in einem unaufgeräumten, fast schon chaotischen Zustand befunden, wenn die Putzfrau gekommen ist.«
Belonoz zuckte mit den Achseln. »Sobald ein hübscher Jüngling das Leben eines strebsamen, sexuell wenig erfahrenen Mädchens auf den Kopf stellt, ändert sich halt so manches.«
»Genau das ist die Situation, Herr Major«, sagte Lily nachdenklich. »Zum ersten Mal hat sich in ihrer braven Welt etwas Aufregendes getan. Vielleicht war sie zum ersten Mal ernsthaft verliebt, möglicherweise hat sie zum ersten Mal erlebt, was Sex bedeuten kann … All das ist normal. Aber hier hat sich ein Mord ereignet. Deshalb müssen wir das Geschehen mit anderen Augen betrachten. Der Zustand der Wohnung ist symptomatisch. Viele Menschen, die in eine seelische Krise geraten, vernachlässigen ihr Zuhause.«
Bereits während der letzten Minuten war Nika Bardel auf ihrem Platz unruhig geworden. Zuvor hatte sie verkrampft gewirkt, mehr und mehr hatte sich ihr Blick starr auf die Tischplatte fokussiert.
Nun hielt sie es nicht mehr aus. Schneidend klang ihre Stimme. Und böse. »Entschuldigung, Frau Doktor. Aber was hat das noch mit unserem Fall zu tun? Ich sehe den Zusammenhang zwischen dem Privatleben dieser reichen Studentin, die halt zum ersten Mal etwas Wildes erlebt, und dem Serienmörder, der sich seit Wochen in Wien herumtreibt, nicht. Diesen Psychopathen, der junge Frauen tötet, müssen wir endlich finden. Darum sollte es doch gehen. Nämlich um Strategien, wie man den Mörder fängt. Und falls ohnehin Sebastian Emberger der Mann war, den wir suchen, kann ich eigentlich überhaupt nicht akzeptieren, wie hier stundenlang analysiert wird, was irgendeine Putzfrau berichtet. Oder was eine Freundin plaudert, die zum Tatzeitpunkt in Barcelona war.«
Im Raum herrschte kurz Stille. Willentlich oder nicht, Nika Bardel hatte die Rolle des Advocatus Diaboli eingenommen. Sie stellte alles Erreichte gleich wieder in Frage.
Das war das Problem solcher Ermittlungen. Jede Freude darüber, möglicherweise endlich so etwas wie eine Spur entdeckt zu haben, wurde irgendwann von Zweifeln überschattet. Dann war nichts mehr sicher. Alles wurde in
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