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Maedchenauge

Maedchenauge

Titel: Maedchenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian David
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Jordis zu tun. Selma Jordis war und ist mir nicht bekannt, ich bin ihr nie begegnet, ihr möglicherweise bedauernswerter Tod kann nicht von mir verantwortet werden. Somit sind Sie gezwungen, den Fall Jordis separat zu bearbeiten. Er hat nichts mit den anderen Ereignissen zu tun. Hier hat sich jemand erdreistet, das Muster zu plagiieren, ohne dazu berechtigt zu sein.
    Deshalb ersuche ich Sie höflichst, mir zu glauben, dass ich die Aufdeckung der Identität jener Person herbeisehne, die Selma Jordis ermordet hat. Ich will wissen, wer da in meinem Schatten gestümpert hat. Das muss aufgedeckt werden. Es ist dringend zu vermuten, dass ein völlig primitives Bedürfnis dahintersteckt.
    Für den Fall, dass Sie irrtümlich annehmen, eine sich in diese Angelegenheit einmischende Person hätte den Ihnen vorliegenden Brief verfasst, darf ich auf folgendes Detail verweisen: Die Augen der drei von mir zur Verantwortung gezogenen Personen wurden eliminiert.
    Ich hoffe, verehrte Frau Dr. Horn, aus tiefstem Herzen, Ihnen behilflich gewesen zu sein.
    Mit vorzüglicher Hochachtung
    Der Richter
    Lily ging zu einem der beiden Fenster des Wohnzimmers, öffnete es und beugte sich hinaus. Tief atmete sie die frische Nachtluft ein. Dann kehrte sie zurück zum Sofa, nahm das Glas Wasser und trank es in einem Zug aus.
    Sie begutachtete den Brief. Es war ein Computerausdruck, der offenbar zusätzlich fotokopiert worden war, um weitere Spuren zu verwischen. Die Form war unpersönlich, doch der Inhalt richtete sich an sie.
    Er drückte aus, was sie vermutet hatte. Sie hatte Major Belonoz nichts davon gesagt. Doch in ihr waren die Zweifel gewachsen, dass die Morde an den drei Mädchen von derselben Person verübt worden waren, die auch für den Tod von Selma Jordis verantwortlich zeichnete.
    Zwei Mörder waren in Wien unterwegs.
    Zwei Mörder, die sie festnehmen musste, bevor sie weitere Taten begehen würden. Die Zeit drängte.
    Lily schmiegte sich in das Sofa und zog die Beine an. Sie schloss die Augen. Der Briefschreiber hatte das Detail erwähnt. Jenes Detail, das keine Zeitung veröffentlicht und kein TV-Sender verlautbart hatte. Die ausgestochenen Augen waren Täterwissen.
    Dazu kam der entschiedene Wille des Briefschreibers, sich vom Mord an Selma Jordis zu distanzieren. Ein Trittbrettfahrer würde sich unverdientermaßen aller Morde gerühmt haben, auch jener, die er nicht begangen hatte.
    Da hatte jemand etwas klarstellen wollen. Durch einen persönlichen Brief an jene Person, die mit der Untersuchung der Morde beauftragt worden war.
    Und dann noch der zweite Brief. Besser war es, ihn gleich zu lesen. Worum es auch immer gehen würde, sie befand sich in der Stimmung, jegliche Mitteilung zu akzeptieren.
    Sie öffnete das Kuvert. Darin lag ein abgerissen aussehender Zettel.
     
    Freitag (morgen/heute), 13 Uhr, Theseustempel, Volksgarten
    ich warte auf Sie und bringe wichtige Informationen zu den Wiener Morden
    kommen Sie allein
    ich erkenne Sie und werde Sie ansprechen
    keine Angst
    aber es ist dringend
    bitte an niemanden ein Wort
    kein Witz
    wahrscheinlich kenne ich den Täter
    Diesmal eine Aufforderung. Mysteriöser als der Brief jener Person, die behauptete, der Mörder zu sein. Dabei ganz konkret, mit der Aussicht darauf, dass jemand sich persönlich mitteilen wollte, an einem bestimmten Ort.
    Diesen Zettel hatte die Gestalt hinterlassen, die Lily durch den Türspion beobachtet hatte. Lily erinnerte sich an die Momente, als sie hinter der Tür stand. Offenbar war sie nur wenige Zentimeter von jemandem entfernt gewesen, der etwas wusste.
    Lily ließ beide Briefe im Wohnzimmer liegen. Sie begab sich zu ihrem Bett und fiel hinein. Sie wäre am liebsten sofort eingeschlafen. Doch die Gedanken wirbelten durch ihren Kopf, ihr Herz schlug wild.
    Erst als es draußen bereits taghell war, kam sie zur Ruhe und schloss die Augen.

Freitag, 18. Juni
21
    Um acht Uhr meldete sich der Radiowecker. Während die Moderatorin die neuesten Nachrichten verkündete, glitt Lily langsam aus dem Schlaf in den Tag.
    Sie war selbst erstaunt, dass sie sich eigentlich nicht müde fühlte. Mehr noch, nach einem grünen Tee und einem Joghurt und einer lauwarmen Dusche fühlte sich ihr Körper geradezu vor Energie strotzend an.
    Die Klarheit, die sich durch den Brief ergeben hatte, trug wohl dazu bei. Und die Aussicht auf Informationen, die sie hoffentlich in fünf Stunden im Volksgarten erhalten würde.
    Lily holte aus dem Schlafzimmer die beiden Schreiben und

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