Maedchenauge
seriöse Unterhaltung. Seit dem Eurovision Song Contest vor fünfzehn Jahren hat er sich … na eben weiterentwickelt, höflich formuliert.«
»Stimmt. Jetzt schreibt er Hymnen für die österreichische Fußballnationalmannschaft. Das habe sogar ich mitbekommen.«
»Und hat ein riesiges Tonstudio, macht nebenbei Filmmusik, und so weiter.«
»Ja, und was ist mit ihm?«
»Stell dir vor, dem gehört eine riesige Wohnung am Kohlmarkt.«
»Wir haben den falschen Beruf, Oliver. Und was ist bei dem Einbruch gestohlen worden?«
»Drei Bilder. Das war eine gezielte Sache.«
»Was für Bilder?«
»Ein italienischer Maler. Lucio Fontana.«
»Der, der die Leinwand immer zerschnitten hat?
»Genau.«
»Und sowas sammelt dieser Popfuzzi?«
Sie waren beim Demel angekommen, stiegen hinauf in den ersten Stock der Konditorei und nahmen an einem kleinen Tisch Platz. Die altmodische Pracht des Raums ließ einen augenblicklich alles Gegenwärtige vergessen. Die Probleme waren weiterhin da, aber sie hatten ihre bedrohliche Unmittelbarkeit eingebüßt. Zumindest auf Zeit.
Zehn Minuten später hatte Lily bereits ein halbes Stück Dobostorte verzehrt.
»Wie läuft es denn so in der Pratorama -Sache?«, fragte sie, um Seiler am Reden zu halten und selbst essen zu können.
Er wog unschlüssig den Kopf von einer Seite zur anderen. »Mühsam. Stück für Stück geht es vorwärts. Als ob man ein riesiges Puzzle neu zusammensetzen müsste.«
»Kommt mir bekannt vor.«
»Wird bei dir ähnlich sein, oder?«
»Davon kannst du ausgehen. Ein Riesenchaos an Informationen. Man hat den Eindruck, es gibt zugleich zu viele und zu wenige. Schwierig.«
»Dafür gibt es in meinem Fall den politischen Druck. Du kannst dir nicht vorstellen, Lily, wie viele Leute sich bei mir nach den Ermittlungen erkundigen. Vorsichtig natürlich. Oder unter irgendeinem Vorwand. Man kann tun oder erreicht haben, was man will. Aber einige Leute aus der Politikszene halten alle Außenstehenden für Vollidioten.«
Desillusioniert schüttelte Lily den Kopf. »Die kenne ich, die Situation.«
»Lenz?«
»Ein bisschen.«
»Der liebe Herr Oberstaatsanwalt will es sich natürlich mit niemandem verscherzen«, sagte Seiler und lächelte böse.
»Aber mit wem will er es sich nicht verscherzen? Das ist doch die Frage.«
»Mit den Mächtigen und den Einflussreichen.«
»Und die wären?«
»Die, die beinahe alles tun können, was sie wollen. Weil sie von niemandem mehr behelligt werden. Sie kontrollieren, was über sie veröffentlicht wird.«
»Und das schaffen die?«
»Natürlich nicht immer. Heute wird vieles öffentlich, und sei es durch puren Zufall. Deshalb sorgen diese Leute dafür, dass zu viele Informationen im Umlauf sind. Da weiß niemand mehr, was richtig ist und was nicht. Das ist die einzige Gegenstrategie.«
»Ja, das könnte sein.«
»Ist das in deinem Fall so?«, fragte Seiler. »Du genießt ja auch viel Aufmerksamkeit.«
»Darum kümmere ich mich nicht wirklich. Und die Pressekonferenz habe ich angesetzt, weil es ein berechtigtes Bedürfnis der Öffentlichkeit gibt, über diese Mordserie informiert zu werden. Nämlich aus berufenem Munde.«
»Völlig richtig. Und wie kommst du voran?«
»Die Sache ist noch immer ein großes Rätsel. Aber in der letzten Zeit hat es interessante Hinweise gegeben. Ich sehe den Weg, der vor mir liegt. Das Ziel ist klar.«
»Entschuldige die direkte Frage, aber wie gut stehen die Chancen, dass du den Täter bald findest?«
»Seit gestern deutlich besser, würde ich sagen.«
»Aha, wie darf ich das verstehen?«
»Ich habe einen Brief bekommen. Von einem Zeugen, der mir glaubwürdig erscheint. Und der einen Verdacht bestätigt hat.«
»Einen Verdacht gegen eine konkrete Person?«
»Das ist alles noch in der Schwebe. Jedenfalls glaube ich, es gibt nicht nur einen Täter.«
Seilers Augen wurden riesengroß. »Mehrere? Das wäre ja unglaublich.«
»Aber durchaus logisch«, sagte Lily und verspeiste das letzte Stück ihrer Torte.
»Bist du dir da sicher?«
»Sicher kann ich mir sein, wenn ich den oder die Täter anklage. Was ich erst tun werde, wenn ich genau weiß, was vorgefallen ist. Aber mein Gefühl … Als ich in der Wohnung des dritten Mordopfers war, der armen Magdalena Karner, da habe ich etwas empfunden … zunächst noch verschwommen … aber langsam wird es deutlicher.«
»Hat die Wohnung denn einen so großen Einfluss auf deine Empfindungen gehabt?«
»Aber natürlich. Ist das bei dir nie so, wenn
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