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Maedchenauge

Maedchenauge

Titel: Maedchenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian David
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endlich zu begreifen, woher der Ruf des Majors als ein schwieriger und wenig kooperativer Charakter rührte.
    Doch die demonstrative Lockerheit des Majors war wohl lediglich Camouflage gewesen. Belonoz war offenbar höchst angespannt.
    »Ich mache mir Sorgen«, sagte er nach dem Treffen zu Lily und vermied es zunächst, ihr in die Augen zu schauen. »Nämlich ob und wann es den nächsten Mord geben wird. Wenn der Täter sein ursprüngliches Schema einhält, haben wir eine Woche, bevor er wieder zuschlägt.«
    Nun sah er sie unvermittelt an, sehr direkt, mit hartem Blick. »Mich deprimiert diese Hilflosigkeit. Wir wissen nichts, überhaupt nichts. Wir kommen einfach nicht vorwärts. Gestern noch kam mir die Situation etwas besser vor. Aber jetzt glaube ich, wir machen uns etwas vor. Wir greifen nach jedem Strohhalm und sind ganz begeistert darüber. Nur um den Moment der Niederlage hinauszuzögern.«
    Da hätte Lily ihm am liebsten von den beiden Briefen erzählt.
    Doch sie hielt sich zurück. Sie wollte warten. Oder gehörte Belonoz’ Bemerkung gar zu diesem Spiel? Lily verbot sich diesen Gedanken. Er war zu pessimistisch und säte zu viele Zweifel.
    Dennoch war bei ihrem Treffen etwas erörtert worden, das niemand besonders gewürdigt hatte. Mit Ausnahme Lilys. Die DNA-Proben von den Tatorten sowie die Spuren von schwarzem Leder waren analysiert worden. Dabei hatte sich Erstaunliches gezeigt: Die Lederpartikel wiesen in den Fällen Foltinek, Back und Karner eine identische Zusammensetzung auf. Aber sie unterschieden sich von jenen im Fall Jordis.
    Lily hatte bloß genickt. Innerlich dagegen beschleunigte sich ihr Puls. Nun lag ein wissenschaftlicher Beleg für zwei unterschiedliche Täterschaften vor. Erneut bestätigte sich das Täterwissen des Briefes.
    Sie sehnte sich nach einer zweiten Meinung. Einer, die fachspezifisch, aber unabhängig sein sollte.
    Ihre Verabredung mit Oliver Seiler zum Mittagessen stand noch. Sie musste ihn dazu überreden, ihrem aktuellen Appetit entgegenzukommen.
    Sie klopfte an die Tür seines Büros und trat ein, sah ihn über seine Akten gebeugt. Er blickte auf und lächelte.
    »Hallo Lily, setz dich bitte«, sagte er fröhlich und fuhr sich rasch durch die Haare.
    »Wenn ich dich nicht störe.«
    »Es ist wichtig, gelegentlich von Pratorama und den Politintrigen abgelenkt zu werden. Sonst rennt man irgendwann in den eigenen Gedanken herum wie in einem Labyrinth.«
    »Die Sache hat dich zum Medienstar gemacht, vergiss das nicht.«
    »Sicher, und … das ist vor allem anstrengend. Im Blickpunkt der Öffentlichkeit zu stehen, ist meistens eher lästig.«
    Lily nickte langsam. »Wem sagst du das? Übrigens … wie steht es mit unserer Verabredung zu einem Mittagessen?«
    »Der Medienstar ist unverändert interessiert.«
    »Und wie wäre es mit … jetzt? Ich weiß, es ist noch nicht einmal zwölf Uhr, aber ich habe ein Treffen um eins. Und falls du Lust auf Süßes haben solltest …«
    »Süßes?«
    »Ich brauche dringend eine Mehlspeise … Magst du mit mir zum Demel gehen? Du kannst ja etwas Würziges bestellen.«
    »Demel klingt gut, sehr gut sogar. Ich mag Süßes und Kalorienreiches, auch wenn mir das keiner glaubt.«
    Genau, und Lily glaubte es auch nicht, während sie beobachtete, wie sich Seilers schlanker und athletischer Oberkörper unter seinem blauen Hemd abzeichnete.
    »Dann los«, sagte sie. »Jetzt oder nie.«
    »Mein Motto, Lily.«

22
    Der Kohlmarkt bot das übliche Bild. Geschäftsleute eilten ihren Terminen entgegen und sprachen gleichzeitig in ihre Handys. Touristengruppen wankten Menschen mit in die Höhe gestreckten Schirmen erschöpft hinterher. Flaneure führten Hunde spazieren. Junge Frauen, deren elegante Kleidung sie zehn Jahre älter erscheinen ließ, stolzierten in Begleitung anzugtragender Männer auf die hochpreisigen Boutiquen zu.
    Lily Horn und Oliver Seiler überquerten den Michaelerplatz. Wenige Meter trennten sie vom Demel.
    »Vor einem halben Jahr hat es hier einen Einbruch gegeben«, erzählte Seiler.
    »Hier, auf der Nobelmeile der Reichen und Schönen?«, fragte Lily.
    »Du kannst dir nicht vorstellen, wie kompliziert das war. Nicht der Fall war schwierig. Sondern der Wohnungseigentümer. Extrem zurückhaltend mit Informationen. Wahrscheinlich hätte er den Einbruch am liebsten vertuscht.«
    »Wieso?«
    »Sagt dir der Name Ric Morloc etwas?«
    »Du meinst den Schmusepopsänger?«
    »So darfst du ihn nicht mehr nennen. Er macht doch nur noch

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