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Maedchenauge

Maedchenauge

Titel: Maedchenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian David
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du Tatorte besichtigst?«
    »Schon, hängt davon ab …«
    »Also bei mir ist das ganz essenziell. Ich weiß zwar noch immer nicht ganz genau, was ich damals unbewusst registriert habe … aber ich spüre …«
    »Weiß Belonoz von deiner Intuition?«
    »Zum Teil. Letztlich kommt es nur darauf an, dass ich es weiß.«
    »Also gibt es den einsamen Mörder, der Wien in Atem hält, gar nicht. Das ist ja wirklich sehr spannend. Da habe ich mich ja total geirrt …«
    »Doch, selbstverständlich existiert er. Nur ist er nicht so mächtig, wie er es gerne wäre. Es gibt auch andere Morde, die … Egal, ich rede viel zu viel Unsinn durcheinander.«
    »Überhaupt nicht.«
    »Doch. Alles ist noch im Fluss … und jetzt muss ich langsam gehen, tut mir leid, Oliver …«
    »Hast du schon wieder einen Termin?«
    »Mit einem Informanten«, sagte Lily und schaute auf die Uhr.
    »Na dann will ich dich nicht aufhalten. Ich hab die Mittagspause jedenfalls genossen.«
    »Eine angenehme Abwechslung. Wahrscheinlich für uns beide, oder?«
    Seiler wollte sich zunächst nicht davon abbringen lassen, die Rechnung zu begleichen. Aber Lily war schnell und hatte die Geldbörse bereits gezückt. Sie war es, die ihn einlud.
    »Wir sollten das wiederholen und dann zahle ich, okay?«, sagte er, als sie hinaus auf den Kohlmarkt traten.
    »Gerne, Oliver. Sobald ich wieder mehr Zeit habe.«
    »Du meinst, wenn du deine Täter hast …«
    »Genau, dann wird das Leben zum reinsten Vergnügen. Und ich kann endlich den Sommer in Wien genießen. Mit allem, was dazugehört. Falls dann noch Sommer ist … Eigentlich schrecklich, was ich da sage, nicht wahr, Oliver? So reden Leute, wenn sie davon träumen, was sie in ihrer Pension alles machen werden.«
    Auf dem Ballhausplatz trennten sich ihre Wege. Es war kurz vor dreizehn Uhr.
    Zeit für die Wahrheit.
    *
    Zwischen dem Heldenplatz, der Ringstraße und dem Burgtheater breitete sich innerhalb kunstvoll verzierter, schmiedeeiserner Gitter der Volksgarten aus. Eingebettet in die klassisch strenge Parkanlage im französischen Barockstil lag der Theseustempel, ein von der griechischen Antike inspiriertes Gebäude aus dem 19. Jahrhundert. Gelegentlich wurde es für Ausstellungen benutzt. Im Sommer war der Theseustempfel ein beliebter Ort, um zu verweilen und in der Sonne zu sitzen. Seit einer Renovierung prunkte er in gleißendem, beinahe unwirklichem Weiß, das ihn wie aus Zucker erbaut erschienen ließ.
    Eilig durchquerte Lily die Alleen. Plötzlich meldete sich Nervosität in ihrem Inneren. Sie hatte nicht nachgedacht, was dieses Treffen bedeuten würde, sondern sich mutig darauf eingelassen. Die Nacht war kurz gewesen, Zeit für Reflexionen hatte es keine gegeben. Nun war handeln gefragt. Gefährdet fühlte sich Lily keineswegs. Es hatte aufgehört zu regnen, und so befanden sich um diese Zeit mehr als genügend Menschen im Park.
    Die Aussicht, etwas Entscheidendes zum Fall zu erfahren, war es, die ihren Magen in leichte Unruhe versetzte.
    Die Glocken der nahen Minoritenkirche schlugen die Stunde. Lily nahm vor dem Theseustempel Aufstellung und sah sich um. Auf den Stufen waren junge, studentisch aussehende Leute hingefläzt, die lasen, telefonierten oder Zärtlichkeiten austauschten. Eine Gruppe italienischer Touristen walzte sichtlich erschöpft an ihr vorbei.
    Lily bemerkte niemanden, den sie kannte. Das war auch besser so. Nichts wäre schlimmer gewesen, als zufällig jemandem in die Arme zu laufen und in ein Gespräch verwickelt zu werden. Andererseits wäre das auch nicht ihre Schuld gewesen. Schließlich hatte nicht sie sich diesen Treffpunkt ausgesucht.
    Sie erklomm die Stufen hinauf zum Eingang und erinnerte sich an Kinderzeiten. Als sie nichts lieber getan hatte, als sich nachts, wenn sie wieder einmal allein zu Hause war, im Fernsehen Spionagethriller anzuschauen. Auch in diesen Filmen war es ständig um Verabredungen und Treffpunkte gegangen. Jetzt war ihr, als sei sie selbst in einen solchen Film geraten.
    »Frau Doktor Horn?«, sagte jemand hinter ihr.
    Das Kribbeln, das über ihren Rücken lief, verdrängte Lily, indem sie sich brüsk umwandte.
    Da stand der Mann.
    Er mochte Mitte oder Ende fünfzig sein, hatte schütteres, graues Haar, trug eine Pilotenbrille und war in einen leichten, schmutzigschwarzen Sommeranzug gekleidet, mit einem schwarzen T-Shirt darunter.
    Lily glaubte, seinem Gesicht noch nie irgendwo begegnet zu sein.
    Auch seiner Stimme nicht, die dunkel und rauh klang. »Danke,

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