Maedchenauge
Sie alles recherchieren, was mit dieser Schlagzeile in Verbindung steht. Und bitte rasch.«
Kovacs sah zu Belonoz.
Der Major nickte. »Stimm dich mit Steffek ab.«
Kovacs verließ den Raum.
Lily beobachtete Belonoz genau. Dessen Blick war grimmig geworden, voller Verachtung und Wut.
»Marlene Metka hat den Braten gerochen«, sagte Lily.
»Stimmt.«
»Sagen Sie, Herr Major … noch was, was ist mit Pratorama ?«
Belonoz runzelte die Stirn. »Wie meinen Sie das jetzt?«
»Na der Pratorama -Skandal.«
»Was hat der mit unserem Fall zu tun?«
»Genau das möchte ich wissen. Gibt es da einen Zusammenhang?«
»Woher haben Sie denn diese Idee, Frau Doktor?«
*
An das Geländer der Terrasse gelehnt, genoss sie den Anblick der sanft ansteigenden Weinberge. Es war so friedlich und tröstend. Jegliche Sorgen waren weit entfernt.
Auf dem Tisch neben der weit geöffneten Schiebetür stand das Abendessen bereit. Eine Auswahl österreichischer Käsesorten, dazu Rucolasalat, beträufelt mit steirischem Kernöl.
Marina Lohner wollte sich vor der Mahlzeit ein paar Augenblicke der Entspannung gönnen. Da meldete sich ihr Handy. Das musste der Anruf sein, den sie erwartet hatte.
Vier Minuten später holte sie das Bier aus dem Kühlschrank. Sie setzte sich und nahm das Besteck zur Hand.
Während sie langsam aß, dachte sie nach.
Stotz war nicht mehr ernst zu nehmen. Seine Handlungen ließen alle Logik vermissen. Er war abgetaucht in einen Ozean der Paranoia. Menschen schob er wie Figuren auf einem Schachbrett herum. In der irrigen Annahme, dadurch seine Macht erhalten zu können. Den Kontakt zur Realität hatte er längst eingebüßt.
Lohner hatte einst einen anderen, offeneren Berti Stotz gekannt. Einen vitalen, von Visionen erfüllten Menschen. Jemanden, der instinktsicher vorgegangen war. Einige seiner Vorstellungen waren immer schon irritierend falsch gewesen. Doch wenigstens hatte er damals noch so etwas wie Ideen besessen. Und hatte den Kontakt mit Menschen gesucht und geliebt.
Mittlerweile war er zu einem einsamen Ränkeschmied verkommen. Verschanzte sich in seinen Büros, ließ wenige Auserwählte an sich heran und ersann Möglichkeiten, die Hebel der Macht nicht aus den Händen zu lassen. Was nicht in seine Auffassung der Realität passte, verdrängte und bekämpfte er. Da klammerte sich eine ausgelaugte Politikerruine an ihren Sessel und wälzte absurde Pläne.
Doch für Kurskorrekturen was es zu spät. Das Endspiel hatte begonnen.
Marina Lohner hatte noch viel vor im Leben. Der Abschied von der Wiener Politik gehörte allerdings nicht dazu. Ganz im Gegenteil. Sie wollte höher hinaus.
In der kommenden Woche würde es so weit sein.
*
Gerade noch rechtzeitig hatte Albine angerufen. Und sie jammerte heftig.
»Ich bin mit wahnsinnigem Kopfweh aufgewacht.«
»Hast du wenigstens die Nacht noch genossen, nachdem ich gegangen bin?«, fragte Lily.
»Ja … soweit ich mich überhaupt erinnern kann.«
»Ich sehe schon, du hast nichts anbrennen lassen …«
»Blöderweise habe ich zu viel getrunken, nur kein Mineralwasser … und geraucht. Geschieht mir recht. Mit Ende zwanzig sollte man sich nicht mehr so aufführen wie in der Pubertät. Aber ich bin eben eine Berufsjugendliche. Mein Sender zwingt mich dazu. Ist das nicht eine herrliche Ausrede?«
»Wenigstens hast du deinen Spaß gehabt, Albine.«
»Falls du damit meinen Verehrer meinst, irrst du dich. Auf der Party war er wirklich nett. Aber später … Heute früh bin ich in einer Studenten-WG aufgewacht, stell dir das bitte vor. Seine zwei Mitbewohnerinnen haben schon um sieben Uhr früh einen Höllenlärm veranstaltet. Wegen irgendeiner Prüfung an der Uni. Als ich aufs Klo gegangen bin, haben sie mich blöd angeschaut und kein Wort gesagt.«
»Du hast im Jagdrevier junger Gemsen gewildert. Wie alt ist er?«
»Zwanzig oder einundzwanzig vielleicht. Was weiß ich. Jedenfalls definitiv zu jung.«
Lily musste lachen. »Seit wann hast du etwas gegen jüngere Männer?«
»Seit heute. Das war nur mühsam. Der Typ war völlig hilflos. Ein Publizistik-Student, der in einer WG wohnt, die wie ein Sauhaufen aussieht. Völlig verkommen und einfach komplett stillos. Nicht ein Hauch von Geschmack, völlig zugerammelt mit scheußlichen Möbeln. Gut war nur, dass die WG im fünften Bezirk liegt. Da war es nicht weit zu mir nach Hause.«
»Und, hast du was mit ihm gehabt?«
»Geh bitte, überhaupt nichts. Um fünf Uhr sind wir bei ihm und seinen Grazien
Weitere Kostenlose Bücher