Maedchenauge
noch an der Sache dran?«
»Sicher. Es ist nicht leicht, bei den Medien zu recherchieren. Wenn man nicht aufpasst, hagelt es Beschwerden, dass die Pressefreiheit verletzt wird.«
»Genau«, sagte Lily. »Polemiken sollten wir derzeit vermeiden.«
Niemand hatte mehr etwas vorzubringen. Man vertagte sich auf Montag. Unter Vorbehalt. Falls nichts dazwischenkommen und ein früheres Treffen erzwingen würde.
Die Mitglieder des Teams ordneten tratschend ihre Unterlagen und verließen das Zimmer.
Lily stand da und schaute Belonoz erwartungsvoll an.
Der Major stand auf und drehte ihr den Rücken zu. »Gehen wir in mein Büro.«
»Gerne.«
Belonoz nahm hinter seinem Schreibtisch Platz und wies Lily einen Stuhl zu. Er deutete auf eine Schachtel Zigarillos, die neben seinem Computer lag. »Stört es Sie? Das Fenster ist offen.«
»Rauchen Sie ruhig, Herr Major. Ich mag den Geruch.«
Bald entströmte seinem Mund eine dichte Wolke. So saß er da und erwartete, dass Lily den ersten Schritt tat.
Lily wusste, dass sie ihn überzeugen musste. »Ich verstehe, dass Sie sauer auf mich sind. Und ich weiß, dass mein Verhalten … seltsam auf Sie wirkt. Sie denken wahrscheinlich, ich würde Ihnen und dem Team etwas verheimlichen. Aber … ich kann im Moment einfach nicht anders. Es geht nicht. Ich kann derzeit nur sagen, dass ich diesen Hinweis auf zwei verschiedene Täter bekommen habe. Deshalb … muss ich Sie um Vertrauen bitten. Ich werde Sie und Ihr Team nicht aufs Glatteis führen. Und sollte ich mich irren, werde ich Sie nicht zum Sündenbock für meine Fehler machen.«
Belonoz rauchte und sagte nichts. Sein Blick war ausdruckslos, beinahe entrückt. Und Lily verstand.
Unzählige Verhöre hatten Belonoz gestählt. Er hatte gelernt, in Gesprächen die Oberhand zu behalten. Selbst wenn er gar nichts sagte.
Es ging nicht um oberflächliche rhetorische Tricks. Sondern um die Einheit von Taktik und Strategie. Das Ziel war so wichtig wie der Weg. Wer das internalisiert hatte, konnte es sich leisten, bis an die Grenze zu gehen. Und den Gesprächsabbruch als Risiko einzukalkulieren. Entsprechend verhielt sich Belonoz. Er war furchtlos. Sämtliche Ängste wurden auf das Gegenüber projiziert. Er selbst verblieb im Ungefähren.
Lily setzte erneut an. »Falls ich einen Fehler begehe, übernehme ich die Verantwortung. Ich werde dafür einstehen und keine Sündenböcke suchen. Lieber trete ich als Staatsanwältin zurück, als der Polizei die Schuld für Ermittlungsfehler zu geben. Ist das akzeptabel?«
Belonoz schwieg.
Lily nahm einen dritten Anlauf. »Es gibt kein doppeltes Spiel. Ich bin nicht mit Lenz verbündet, auch sonst mit niemandem. Das ist keine Falle. Und ich werde die Konsequenzen ziehen, falls die Sache schiefgeht. Bitte vertrauen Sie mir. Ich möchte, dass wir den Fall gemeinsam lösten. Egal, wie viele Täter im Spiel sind. Mein Misserfolg wird allein mein Misserfolg sein. Aber mein Erfolg wird auch Ihr Erfolg sein. Darum kann ich nichts anderes tun, als Sie zu bitten. Bitte vertrauen sie mir, Herr Major. Ich kann jetzt nicht mehr sagen als das …«
Zuletzt war ihre Stimme schwach geworden. Auch der fehlende Schlaf forderte seinen Tribut immer heftiger.
Belonoz beförderte den Zigarillo in den Aschenbecher. »Versuchen wir es also mit Vertrauen«, sagte er.
Lily hätte am liebsten gejubelt und zugleich losgeweint. Exakt in diesem Moment klopfte es an der Tür. Durch einen Spalt streckte Kovacs den Kopf in den Raum.
»Entschuldigung, falls ich störe …«, sagte er und kam herein. »Sie müssen sich das anschauen.«
Er entrollte einen rechteckigen, farbig bedruckten Bogen Papier.
»Die erste Seite der morgigen Ausgabe von Clip24 . Im Netz wird es ab drei Uhr zu lesen sein.«
Lily und Belonoz lasen die in fetten Lettern gedruckte Schlagzeile: Was die Polizei verschweigt – Clip24 enthüllt: Zerstochene Augen! So wütet die Wiener Mörderbestie.
Belonoz schaute Kovacs an. »Wie haben diese Vollidioten das erfahren?«
»Und was wissen die noch?«, sagte Lily. »Sonst irgendwelche Informationen dazu, Herr Kovacs?«
»Ich arbeite daran.«
Lilys Stimme hatte ihre Kraft wiedererlangt. »Damit hat Clip24 eine Grenze überschritten. Sie machen unsere Ermittlungen kaputt. Das werden wir nicht tolerieren. Wer hat den Artikel geschrieben?«
»Ich tippe auf Gaby Koch«, sagte Kovacs. »Von Beginn an war das ihre Geschichte.«
»Fein. Die Schonfrist für diese Frau ist abgelaufen. Herr Kovacs, ich möchte, dass
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