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Maedchenauge

Maedchenauge

Titel: Maedchenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian David
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ihr für Entspannung und das Gefühl, endlich wieder angekommen zu sein.
    Nach einer mild gewürzten Grießnockerlsuppe war man zu zart gedünstetem, mit Knoblauch aromatisiertem Seeteufel und Blattspinat übergegangen, gefolgt von Topfenstrudel. Geduldig und stolz hatte Marta Neubauer auf die Komplimente gewartet, die unweigerlich kamen.
    Lily strahlte. »Es war wieder einmal köstlich, vielen Dank.«
    Schon wurde Marta Neubauer widerspenstig. »Das glaube ich dir nur, wenn du noch ein zweites Stück vom Strudel nimmst.«
    »Ich kann doch nicht so viel essen.«
    »Du schon, Lily. Du bist ohnehin ganz dünn. Ganz im Unterschied zum Hausherrn.«
    Marta Neubauer blickte streng auf ihren Mann, der sehnsüchtig die Platte mit dem Topfenstrudel im Visier hatte.
    Später zogen sich Onkel Neubauer und Lily in sein Arbeitszimmer zurück. Wie immer schwang sich Lily auf die herrlich bequeme, schon leicht durchgesessene Ledercouch, während er auf einem Lehnstuhl Platz nahm. Irgendwoher hatte er in der Zwischenzeit eine dicke kubanische Zigarre genommen.
    »Darfst du das denn noch?«, fragte sie ihn.
    »Zu besonderen Gelegenheiten schon. Muss ich sogar, sonst bin ich nicht mehr ich selbst. Oder stört es dich mittlerweile? Das Fenster ist ohnehin offen, du wirst nicht eingenebelt.«
    »Weiß ich ja. Es würde mich geradezu schockieren, wenn du darauf verzichtest. Ich müsste mir gleich Sorgen um dich machen.«
    »Dem wollen wir vorbeugen«, sagte Onkel Neubauer und entzündete sorgfältig seine Bolivar . Lily erinnerte sich, dass sie vor kurzem eine ähnliche Situation mit Major Belonoz erlebt hatte.
    »Also, Lily, wie geht es dir?«
    Ihre quasi-therapeutischen Gespräche hatten stets mit dieser Frage begonnen. Lily wusste, dass er sie auch seinen Patienten zu Beginn einer Sitzung stellte.
    »Mir geht es eigentlich gut, Onkel Neubauer.«
    »Großartig. Warum eigentlich ?«
    »Erwischt, Onkel Neubauer … einfach so. Ich weiß nicht, warum ich das gesagt habe …«
    »Wie war es in New York?«
    »Mich hat der Aufenthalt verändert. Zumindest ein wenig. Ich bin, glaube ich, als ein anderer Mensch zurückgekommen. Ich habe … von ein paar Träumen Abschied genommen.«
    »Bedauerst du das?«
    »Nicht wirklich … bilde ich mir zumindest ein. Es kommt mir vor, als wäre ich sogar froh darüber. Weil ich erkannt habe, dass manche Träume eigentlich mehr Illusionen waren.«
    »Glaubst du wirklich?«
    »Ja … oder vielleicht nicht Illusionen, sondern … dass ich gewisse Dinge überbewertet habe oder … gedacht habe, dass ich bestimmte Sachen unbedingt zum Leben brauche.«
    Eine kurze Pause entstand. Lily schwieg und sinnierte, Onkel Neubauer rauchte gedankenverloren.
    »Du bist wegen Ben nach New York gegangen, nicht wahr?«, fragte er schließlich, wie aus einem Traum erwachend.
    »Nicht nur. Auch wegen mir selbst.«
    »Erklär mir das bitte, Lily.«
    »Da spielt vieles mit. An erster Stelle steht sicher Ben. Ich habe ihn heiraten und mit ihm in New York leben wollen. Mit Kindern. Und allem, was so dazugehört zu einer normalen Familie. Geordnete Verhältnisse sozusagen. Sicherheit. Gegenseitiges Vertrauen.«
    Onkel Neubauer nickte, wobei er freundlich lächelte. »Ich kann mich erinnern, wie lebhaft du mir von dem erzählt hast, was du vorhast. Wie siehst du deine damaligen Ambitionen heute?«
    »Aus einem vollkommen anderen Blickwinkel. Mir kommt vor, dass ich sehr … Ich war nicht egoistisch, aber … zumindest ichbezogen. Das alles waren meine Träume, und Ben war eben der Mann, der zu diesen Träumen gepasst hat. Er hat eine bestimmte Funktion übernommen. Wie ein Schauspieler in einem Stück, das sich jemand anderer ausgedacht hat.«
    »Lily, das klingt, als würdest du durchaus kritisch auf dein Verhalten blicken.«
    »Ja, das tue ich. Sehr kritisch sogar.«
    »Inwiefern?«
    »Ich war auf der Suche nach meiner Identität. Sowohl diese Hochzeit wie überhaupt meine Vorstellungen vom geordneten Familienleben haben mit meinem Vater zu tun gehabt. Mit meinem geliebten und verehrten Vater. Den ich manchmal verachtet und sogar gehasst habe. Der mein Vorbild war und für mich zum abschreckenden Beispiel geworden ist. Weil er einsam war und trotzdem niemanden an sich herangelassen hat. Und der mich geprägt hat wie kein anderer Mensch. Bis ich mich dazu entschlossen habe, mich selbst zu prägen und all das zu tun und zu sein, was ich bei ihm und an ihm vermisst habe.«
    Es klopfte an der Tür zum Arbeitszimmer.

27
    Marta

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