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Maedchenauge

Maedchenauge

Titel: Maedchenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian David
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sachte entweichen. »Ganz genau, und mit den Ermittlungen bin ich als Person auch noch zum Tagesgespräch geworden. Das habe ich überhaupt nicht angestrebt. Andererseits ist die Aussicht, in diesem Fall für Gerechtigkeit zu sorgen, absolut verlockend. Kannst du das verstehen?«
    »Sehr sogar, Lily. Das wahre Selbst kann man nicht verleugnen. Übrigens … berühren dich diese Morde persönlich?«
    »Und wie. Lauter junge Frauen, die niemals hätten sterben sollen. Sie sind durch gewalttätige Akte zu früh aus dem Leben gerissen worden. All das, woran sie geglaubt oder wovon sie geträumt haben, ist radikal ausgelöscht worden … bis hin zu ihren Augen.«
    »Hast du Verbündete? Leute, die dir beistehen?«
    »Im Moment nur diesen Major, den Leiter der Mordkommission. Mir scheint, dass ich ihm vertrauen kann. Aber wer weiß? Und sonst … einen Kollegen, einen Staatsanwalt. Er ist sehr … Ich finde ihn attraktiv als Mann. Er ist quasi mein Vorgänger in dieser Ermittlung. Aber ich weiß nicht recht, was ich von ihm halten soll.«
    »Magst du ihn?«
    »Onkel Neubauer, lieber wäre mir, wenn er nicht … Er ist wie eine ständige Versuchung. Aber ich bemühe mich, Distanz zu ihm zu bewahren. Ich habe Angst davor, mich schon wieder gehen zu lassen. Ich will nicht Berufliches und Privates vermischen. Und schon gar nicht will ich irgendwelchen Instinkten nachgeben. Das bringt mir kein Glück.«
    »Lily, weißt du was? Hör auf deine Instinkte.«
    »Meinst du wirklich? Soll ich Gefühlen nachgeben, auch wenn …?«
    »Nicht so schnell, Lily. Ich sage nur, dass du grundsätzlich auf deine Instinkte vertrauen sollst. Sie leiten dich ans Ziel. Kann schon sein, dass es nicht so angenehm für dich wird, wie du es dir tief in deinem Herzen wünschen würdest. Aber du wirst den richtigen Weg gehen. Du musst keine Angst haben. Davon bin ich überzeugt, Lily.«
    Er beugte sich vor, nahm ihre Hand und drückte sie fest. Sein Blick, der auf ihr ruhte, war voller Milde, Heiterkeit und Zuversicht.
    Gegen fünfzehn Uhr dreißig verließ sie Onkel Neubauers Wohnung, selbstbewusst und energiegeladen. Was sie belastet hatte, schien nicht mehr so erdrückend.
    Sie brannte darauf, in Wien für Gerechtigkeit zu sorgen. Gegen alle Widerstände.
    *
    Belonoz lungerte in seinem Bürostuhl. Seine Augen waren geschlossen, er schien zu dösen.
    Lily betrat sein Büro. Der Glaube an ihre Kräfte war frisch erwacht. Als wäre eine schmutzige Küche blankgeputzt worden, um Platz für die Zubereitung des nächsten Abendessens zu machen.
    »Ich weiß jetzt, wie wir vorgehen sollten«, sagte Lily und strahlte den Major an, der sich langsam aufsetzte. »Der Mann im Volksgarten, dieser Bezug zu Pratorama , der Anruf der Vizebürgermeisterin. So vieles in unserem Fall deutet auf die Politik hin. Mehr benötigen wir gar nicht. Das Rathaus spielt irgendeine Rolle, die wir aufklären müssen. Wir müssen bis zur Spitze vordringen. Falls das nötig sein sollte. Und wenn wir uns damit Feinde machen, auch gut. Darauf nehmen wir einfach keine Rücksicht mehr.«
    Der Major war müde. Seine Mimik blieb unverändert. »Hervorragend, Frau Staatsanwältin. Dem hätte ich noch vor zwei Stunden zugestimmt.«
    Augenblicklich stutzte Lily. Die resignative Haltung des Majors entging ihr nicht. Doch so leicht wollte sie sich nicht irritieren lassen. »Kommen Sie schon, Herr Major … was ist denn los?«
    »Haben Sie die neuesten Nachrichten nicht gelesen oder gesehen?«
    »Keine Zeit. Warum?«
    Der Major blickte sie lange an. Für wenige Augenblicke lag Mitleid in seinen Augen. »Kurz nachdem Sie gegangen sind, haben es die Nachrichtenagenturen gemeldet. Berti Stotz hat einen schweren Schlaganfall erlitten.«
    Lily setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch des Majors. Beinahe schien es, als sackte sie leicht in sich zusammen. »Das darf nicht wahr sein … ausgerechnet jetzt. Wie geht es ihm?«
    »Man weiß nicht, ob er überleben wird. Allerdings wird er es kaum schaffen, bis zur Wahl wieder fit zu sein. Der ist auf absehbare Zeit weg vom Fenster.«
    »Was bedeutet das für uns?«, fragte Lily tonlos.
    Belonoz runzelte die Stirn. »Für uns bedeutet das nichts Gutes. Seiler wird es jetzt schwerer haben. Stotz war in Pratorama verwickelt, das hat sich in Wien jeder denken können. Die Frage ist nur, welche Rolle er gespielt hat. Diese Firmenkonstruktionen … alles sehr undurchsichtig, lauter Strohmänner und obskure Netzwerke … Wer immer die Nachfolge von Stotz

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