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Maedchenauge

Maedchenauge

Titel: Maedchenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian David
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Aber immerhin wandelst du nicht auf den Spuren unserer lieben Gila. Das beruhigt mich.«
    Sie waren seit der Schulzeit eine Dreierclique gewesen, Albine, Lily und Gila. Gemeinsam hatten sie gegessen, getrunken, geraucht, Partys gefeiert und Clubs heimgesucht. Die Männer hatten es schwer mit ihnen gehabt, die drei Mädchen mit ihnen dafür umso leichter. Wer mit einer eine Beziehung eingegangen war, hatte letztlich alle drei am Hals gehabt, wenn er nicht brav gewesen war. Doch rascher als erwartet war aus all dem Vergangenheit geworden.
    Von einem Sommerurlaub mit den Eltern und ihrer Schwester war Gila verändert nach Wien zurückgekehrt. Plötzlich schien sie die wohlerzogene Tochter in sich entdeckt zu haben. Wenige Wochen später war die schöne Gila mit ihrer dunklen, sagenhaft üppigen Haarmähne nach London übersiedelt und hatte sich an einer privaten Universität eingeschrieben. Im Jahr darauf hatte sie einen vier Jahre älteren Unternehmer geheiratet, der bis dahin nur als irgendein englischer Bekannter gegolten hatte.
    So war innerhalb von sechsundzwanzig Monaten aus Gila die Mutter zweier kleiner Kinder und Trägerin einer sittsamen Bob-Frisur geworden. Lange hatten Lily und Albine über die Motive hinter Gilas abruptem Persönlichkeitswandel spekuliert. Eine Art Torschlusspanik war nicht in Frage gekommen, schließlich war Gila erst dreiundzwanzig gewesen. Die Betroffene selbst hatte nur wiederholt beteuert, endlich sei ihr Traum von einer perfekten Ehe und Kindern in Erfüllung gegangen.
    »Nein, Gila eifere ich sicher nicht nach«, sagte Lily nachdenklich. »Obwohl … fast wäre es passiert und ich …«
    Das lautstarke Gelächter einer niederländischen Besuchergruppe übertönte sie, und eigentlich war Lily froh darüber, den Satz nicht vollenden zu müssen.
    Sie flanierten bis zum Hotel Sacher, dessen Gastgärten zum Bersten gefüllt waren. Albine schüttelte den Kopf. »Die gehen alle ins Sacher, essen dort natürlich eine Sachertorte und fotografieren sich gegenseitig dabei. Es muss ja schon Milliarden solcher Bilder geben. Ob denen die Torte überhaupt schmeckt?«
    »Spielt keine Rolle, Albine. Für die geht es lediglich darum, etwas zu tun, das sie für eine landestypische Sitte halten. Das ist ungefähr so, als würden wir nach Amsterdam fahren und dort unbedingt in einem Coffeeshop einen Joint rauchen wollen.«
    »Sachertorten und Joints, der Vergleich gefällt mir, solange ich mich nicht nur für eines davon entscheiden muss«, sagte Albine grinsend.
    »Und wenn doch?«
    »Wie?«
    »Wenn du gezwungen wärest, dich zu entscheiden.«
    »Sachertorte lässt sich notfalls durch Schokolade ersetzen. Aber wie ersetze ich …?«
    »Das habe ich mir gedacht.«
    Der Weg führte sie in Richtung Albertina. Unterhalb des auf einer Bastei der alten Stadtmauer thronenden Barockschlosses durchschritten sie den Eingang zum Burggarten. Dessen Rasenflächen verdankten ihr saftiges Grün noch den scheinbar endlosen Wochen permanenter Regengüsse. Nun faulenzten dort junge Leute in der Sonne, andere lagen lesend oder rauchend im Schatten der alten Bäume. Vor dem Café im Palmenhaus ließen sich die Freundinnen an einem gerade frei gewordenen Tisch nieder. Sie bestellten zwei weiße Gespritzte und entspannten sich im wohltuenden Schatten, den ein Sonnensegel spendete.
    »Du willst schon morgen wieder mit der Arbeit anfangen?«, fragte Albine mit einer Mischung aus Neugier und Skepsis. »Wirklich?«
    »In den vergangenen Wochen habe ich genug Einsamkeit erlebt«, erwiderte Lily. »Jetzt möchte ich mit möglichst vielen Leuten zu tun haben. Ich will den ganzen Tag beschäftigt sein.«
    »Ja, das kann ich verstehen. Aber wie schaffst du das mit dem Jetlag?«
    »Ich muss einfach. Weil ich es so haben will.«
    Innerlich war Lily weniger überzeugt. Der Kampf mit der Zeitumstellung war natürlich noch nicht ausgestanden. Geregelte Arbeitszeiten und der Kontakt mit Menschen würden das vielleicht ausgleichen. Jedenfalls hoffte sie das.
    Der Kellner servierte die Getränke. Lily und Albine prosteten einander zu und nahmen den ersten Schluck.
    »Es verblüfft mich nach wie vor, dass du wirklich Staatsanwältin geworden bist«, sagte Albine und schüttelte dabei ungläubig grinsend den Kopf.
    Lily nickte. »Ich habe einfach dieses dumme Bedürfnis nach Gerechtigkeit. Schon in der Schule war das so. Dauernd habe ich mich mit irgendwelchen Lehrern angelegt.«
    »Ich erinnere mich sogar, dass du einmal kurz überlegt hast,

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