Maedchenauge
hatte, holte er zielstrebig nach, stets darauf bedacht, zu tun, was notwendig und verlangt war. Schließlich gelang ihm der Sprung in den Kriminaldienst des Salzburger Landespolizeikommandos, und von da an wurde er von den Vorgesetzten als jemand betrachtet, dem Großes zuzutrauen war. Sie hielten Descho für einen Polizisten, der keine unnützen Gedanken verschwendete, sondern Befehle bestmöglich und eifrig befolgte. Deswegen war er ihr Mann, deswegen förderten sie ihn auf seinem Weg nach oben.
Dennoch war es Zufall, dass Descho an diesem heißen Sonntagnachmittag ins Spiel kam. Er war schlicht der einzige für Mordfälle zuständige Kriminalbeamte, der noch verfügbar war. Im Unterschied zu seinen Kollegen hatte er den Fehler begangen, sein Handy in der Freizeit nicht abzuschalten. Es mochte von seiner Seite auch Absicht mit im Spiel gewesen sein, was sich jedoch nie mehr exakt feststellen ließ.
Jedenfalls sah sich Descho gezwungen, seine Frau und die zwei kleinen Kinder im überlaufenen Salzburger Freibad Volksgarten zurückzulassen. Das kühle Bier, auf das er sich gerade gefreut hatte, musste verschoben werden. Descho hatte das fröhliche Johlen und Schnattern der Badegäste noch im Ohr, als er zu Hause seine Arbeitskluft überstreifte. In ausgebeulten schwarzen Jeans, einem grauen Sakko und einem kurzärmeligen blauen Hemd mit offenem Kragen verließ er die Wohnung.
Im fast völlig verwaisten Landeskriminalamt wurde Descho mitgeteilt, was man von ihm erwartete. Aus Wien hatte sich ein gewisser Major Belonoz an die Kollegen mit der dringenden Bitte um Unterstützung gewandt. Möglichst rasch und zugleich extrem diskret sollte er den Aufenthaltsort eines Salzburger Ehepaars ermitteln. Herbert und Margit Karner hatten ihre Tochter verloren. An Descho lag es, ihnen beizubringen, dass Magdalena in Wien ermordet worden war.
»Wird sofort erledigt«, sagte er zu dem Vorgesetzten, dessen rosa Polohemd und vor Ärger gerötete Miene vermuten ließen, dass er wie Descho aus der Freizeit in die Arbeit gerufen worden war. Als Descho zur Tür ging, spürte er die Blicke des Vorgesetzten in seinem Rücken. Er ahnte, dass eine Erwartungshaltung auf ihm ruhte, der er gerecht zu werden hatte. Das mörderische Treiben aus dem scheinbar fernen Wien reichte bis nach Salzburg. Im Eiltempo, so viel war Descho klar, sollte der Ball wieder zurück nach Wien gespielt werden. Fehler durfte er sich deshalb keine erlauben. Schon gar nicht beim Überbringen der Botschaft vom Tod des Mädchens.
Doch die Karners waren unauffindbar. Ihre Wohnung im Stadtteil Liefering war leer. Anrufe landeten sofort auf der Sprachbox ihrer Handys. Die Befragung der Nachbarn gestaltete sich mühsam und langwierig, die meisten waren nur telefonisch zu erreichen. Immerhin brachte Descho in Erfahrung, dass sich das Ehepaar an diesem Sonntag möglicherweise in Dienten aufhielt, einem kleinen Dorf in den Salzburger Alpen.
Descho befragte den Polizeicomputer. Der Hinweis aus der Nachbarschaft ergab einen Sinn. Ursprünglich stammten die Karners aus Dienten. Dort hatten sie gewohnt und waren vor einigen Jahren in die Stadt gezogen. Magdalena musste damals noch zur Schule gegangen und mitten in der Pubertät gewesen sein.
Mit dem Auto war Dienten eine knappe Dreiviertelstunde von der Stadt Salzburg entfernt, wenn man zügig fuhr. Descho war mit der Gegend vertraut, und ihm war auch klar, dass der Handyempfang dort aufgrund der engen Täler und hohen Berge mitunter nur lückenhaft funktionierte. Er bestieg seinen Dienstwagen, einen silbernen Audi, und raste über die vor Hitze glühende Autobahn A10 nach Bischofshofen. Dort wechselte er auf die Hochkönig-Bundesstraße, wo er auf jedes ihm entgegenkommende Fahrzeug achtete. Ein blauer Volvo älterer Bauart mit Salzburger Kennzeichen war nicht darunter.
Endlich führte die Straße bergauf. Die letzte Etappe der Reise hatte begonnen. Links und rechts lagen saftig grüne Hänge. Auf manchen von ihnen ragten die trostlos grauen Maste der Skilifte gen Himmel und harrten des kommenden Winters.
Descho war froh, als er endlich die auf einer einsamen Anhöhe errichtete Pfarrkirche erkannte. Darunter breitete sich das Dorf mit seinen achthundert Bewohnern im wieder enger werdenden Tal aus, so gut es ging.
Vergeblich hielt er auch im Ort Ausschau nach einem blauen Volvo. Als er schon weit außerhalb des Dorfs bei einem verlassen wirkenden Sägewerk angelangt war, kehrte er um.
Den Audi stellte Descho auf einem für
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