Maedchenauge
wir etwas von ihm brauchen. Und das will er natürlich so teuer wie möglich verkaufen. Also wartet er ab.«
»Wie wir alle. Wir warten und warten und warten. Und Godot kommt nicht.«
»Sind Sie resignativ, Herr Major?«
»Tagsüber nie. Aber jeder Kriminalbeamte kennt das Gefühl. In diesem Fall warten wir seit Mitte Mai darauf, dass etwas vorwärts geht.«
»Das kann ich gut verstehen«, sagte Lily. »Für mich ist es ein bisschen leichter. Ich bin an dieser Sache erst seit einer Woche dran. Obwohl es mir, ehrlich gesagt, viel länger vorkommt. So viel hat sich getan … Jedenfalls ist gerade jetzt Resignation nicht nötig. Etwas liegt in der Luft. Das spüre ich deutlich.«
»Sie gehen anscheinend gerne instinktiv vor. Oder intuitiv.«
Lily musste schmunzeln. »Ja, ich weiß. Jetzt kennen Sie meine Methode, Watson!«
Für einen kurzen Moment schien es, als würde Belonoz lächeln. Aber der Moment war so rasch vorbei, wie er gekommen war.
»Wann haben Sie bemerkt, Herr Major, dass ich sehr auf Intuition setze?«
»Als Ihnen in der Wohnung von Magdalena Karner etwas aufgefallen ist, von dem Sie allerdings nicht gewusst haben, was es war. Eine solche Bemerkung ist mir bei keinem anderen Staatsanwalt untergekommen.«
»Erzählen Sie das aber nicht weiter. Staatsanwälte sollen brav rational arbeiten und ständig die Gesetze im Kopf haben. Alles andere ist verpönt.«
»Wissen Sie inzwischen, was Ihnen in der Wohnung aufgefallen ist?«
»Ich glaube, es war diese peinliche Ordnung in der Wohnung. Das hat mich an jemanden erinnert … Es gibt Leute, die von großen Ängsten erfüllt sind. Das versuchen sie auszugleichen, indem sie auf größtmögliche Ordnung und Genauigkeit Wert legen. Dadurch fühlen sie sich sicherer und geborgener. Überhaupt war die Wohnung nicht sehr lebendig. Alles war so gestellt und unpersönlich. Magdalena Karner hat das echte, schmutzige Leben aus ihrer Wohnung verbannt. Sie hat sich nach Sauberkeit gesehnt.«
Belonoz zog die Stirn in Falten. »Interessant, mein erster Eindruck war ähnlich. Ich habe das inzwischen fast vergessen gehabt.«
»Und dennoch war das die Wohnung, in der Magdalena Karner nackt getanzt hat. Wo sie sich bewusst den Blicken eines Voyeurs ausgeliefert hat. Ich weiß nicht, aber … sie muss etwas erlebt haben, irgendetwas Einschneidendes, das sie dazu gebracht hat.«
»Hat das Bedeutung für unseren Fall?«
»Keine Ahnung. Wenn es so ist, besitzt dieser Fall eine Dimension, die wir noch gar nicht ermessen können. Dann geht es um weit mehr als Pratorama . Nämlich auch darum, ob der Täter seine Opfer zufällig ausgewählt hat. Oder ob ein Schema dahintersteckt. Vielleicht …«
»Ja?«
Lily war in Gedanken versunken. Sie sprach jetzt sehr leise, wie zu sich selbst. »Vielleicht das Foto mit den drei Mädchen …«
Überraschend respektvoll wartete Belonoz ein paar Augenblicke ab, bevor er weiterredete. »Wir haben noch die ungeklärte Spermaspur im Bett.«
»Genau, die überhaupt nicht zu dieser Sauberkeit passt … Mir fällt gerade das Gespräch mit den Eltern ein. Der Vater hat gegen alles Katholische geschimpft, er muss da irgendein Problem haben.«
Belonoz nickte. »Nika Bardel hat ermittelt, dass Magdalena Karner als Kind in der Katholischen Jungschar war.«
»Und obwohl sie einmal in dieser Jugendorganisation der Kirche war, hat es in der Wohnung keinen einzigen Hinweis auf irgendetwas auch nur annähernd Katholisches gegeben. Dafür Sauberkeit und nacktes Tanzen … Das passt wunderbar zu dieser Überfülle an Hinweisen, von der wir unlängst gesprochen haben. Die uns nur verwirrt und ablenkt. Und die Lösung ist in Wahrheit sehr einfach, beinahe banal …«
Plötzlich stand Steffek im Raum. Sein vorsichtiges Klopfen war überhört worden. Also hatte er die Tür aufgerissen und war hereingestürmt.
Er wirkte erstaunlich aufgeregt. »Es gibt endlich was Neues.«
»Edi, du beherrschst die Kunst des richtigen Moments«, sagte Belonoz.
»Die Kontakte zu den Kollegen waren hilfreich. Der Tatort wird total abgeschottet. Keine Informationen nach draußen. Weil es um Pratorama geht. Ihr Kollege Seiler ist da sehr strikt, Frau Doktor.«
»Wo bitte geht es schon wieder um Pratorama ?«, fragte Lily nervös. »Können Sie etwas deutlicher werden?«
Und Steffek wurde deutlicher. Der Brand, von dem er berichtete, war in der Nähe von Klosterneuburg ausgebrochen. In einer verschlafenen Gegend, bestückt mit unzähligen Einfamilienhäusern. Wo
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