Maedchenauge
ergeben.«
»Und glauben Sie, dass Labuda den Namen des Täters gekannt hat?«
»Natürlich. Darum hat er mit mir gesprochen. Und deswegen hat man ihn ermordet.«
Belonoz stand auf, ging zum Fenster und sah hinaus. »Wissen Sie, wie mir diese Stadt plötzlich vorkommt, Frau Doktor? Wie Feindesland. Und wir müssen uns darin bewegen, wenn wir nicht besiegt werden wollen.«
*
Der spätabendliche Autoverkehr entlang des Donaukanals und von der Ringstraße beherrschte die akustische Kulisse. Doch zwischen der Augartenbrücke und der U-Bahnstation Schottenring kümmerten sich die jungen Passanten nicht darum. Sie waren unterwegs in der warmen Abendluft, meist auf der Suche nach dem nächsten Lokal. Das Semester an den Universitäten ging zu Ende. Es war an der Zeit, sich gehen zu lassen.
In einer kleinen Grünfläche beim Franz-Josefs-Kai stand ein einzelner Mann und wartete. Er drückte herum, als wollte er etwas verbergen. Niemand kümmerte sich um ihn, und er machte nicht die geringsten Anstalten, sich anderen aufzudrängen. Er starrte immer wieder in den abendlichen Himmel, als gäbe es dort etwas zu entdecken.
Gegen dreiundzwanzig Uhr wurde der Mann aktiver. Er hatte jemanden erkannt, der ihm vertraut war, und ging auf ihn zu. Dabei hob er zweimal kurz den Arm.
»Ist er das jetzt?«, fragte der Chef der Drogenermittler, der im unauffälligen, leicht heruntergekommenen Kleinbus saß und konzentriert auf den Bildschirm starrte.
»Zwei Personen im näheren Umkreis, keine Blondine in Sicht«, sagte sein Mitarbeiter.
»Die Geste war aber eindeutig. Das war das vereinbarte Zeichen. Was denken Sie?«
Er blickte Lily an, die sich zu einer blitzschnellen Entscheidung zwang. »Zugriff«, sagte sie ruhig.
Während die Szene von starken Scheinwerfern erhellt wurde, stürmten in Zivil gekleidete Polizeibeamte herbei. Manche hatten sich hinter Bäumen und im Buschwerk versteckt gehalten. Der junge, dunkelhaarige Mann wurde zu Boden gestreckt und durchsucht. Er konnte nicht sehen, dass der Dealer, den er gerade erst freundlich begrüßt hatte, umringt und weggebracht wurde.
Minuten später wurde der junge Mann in ein Polizeifahrzeug verfrachtet und zum Deutschmeisterplatz transportiert. Er musste sich nackt ausziehen und seine Personalien angeben. Danach wurde er, in Handschellen, in ein grell beleuchtetes Verhörzimmer gebracht, wo er auf einen Stuhl gesetzt wurde. Hinter ihm bezog ein uniformierter Beamter Position. Im nächsten Moment öffnete sich die Tür. Der junge Mann blickte erstaunt auf die schick gekleidete Frau, die hereinkam und das Gespräch ohne lange Vorreden eröffnete.
»Die Frage ist, ob Sie zuerst unnötig herumreden«, sagte Lily in stark unterkühltem Tonfall und mit entschlossener Miene. »Oder ob wir gleich zum Thema kommen. Ich bin Staatsanwältin Horn und will keine Zeit vergeuden.«
Erschöpft starrte der junge Mann sie zunächst an, bis er trotzig zu Boden schaute. »Ich habe nichts zu sagen. Absolut nichts.«
Lilys Mimik veränderte sich keinen Deut. »Sie haben die Möglichkeit, einen Anwalt anzurufen. Eines sollten Sie gleich wissen: Es geht hier nicht nur um simple Drogenbeschaffung.«
Sie entrollte einen großen Bogen Papier, den sie in der Hand gehalten hatte. Es war das Plakat mit den zwei Phantombildern.
»Das ist unser Thema«, sagte sie. »Sie sehen der gesuchten männlichen Person ähnlich. Wenn Sie dazu etwas sagen möchten, tun Sie es sofort.«
Der junge Mann schüttelte den Kopf. Seine Stimme klang gepresst. »Ich will meinen Anwalt.«
Lily sah ihn drei Sekunden lang intensiv an, bevor sie das Plakat wieder zusammenrollte. »Das ist Ihre Entscheidung. Leben Sie mit den Konsequenzen.«
Sie ging auf den engen, schlecht beleuchteten Korridor vor dem Verhörzimmer und holte das Handy aus der Gesäßtasche ihres schwarzen Hosenanzugs. Belonoz, der auf den Anruf gewartet hatte, hob sofort ab.
»Wie steht’s?«, fragte er ohne Umschweife.
»Wir haben eine männliche Person festgenommen.«
»Nur ihn? Keine blonde Begleiterin?«
»Es war keine Blondine in der Nähe. Aber der Festgenommene heißt mit Vornamen Thomas und ist ausgesprochen hübsch.«
Der Atem des Majors war durch das Handy zu hören.
»Tom« , sagte er heiser.
*
Eine halbe Stunde lang recherchierten Metka und Steffek im Melderegister. Schließlich riefen sie Lily an und teilten ihr das Ergebnis mit.
»Einen derartigen Zufall kann es nicht geben«, sagte Lily. »Bitte geben Sie an Belonoz weiter, dass ich
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