Maedchenauge
Zach als Religionslehrer in der Dientner Volksschule nicht aufgetaucht. Anrufe hat er nicht beantwortet. Da hat sich der Schulwart bereiterklärt, persönlich nach dem Rechten zu schauen.«
»Gibt es bereits Verdächtige?«
»Niemanden. Wir haben auch keine Hinweise, dass Zach in irgendwelche Konflikte in Dienten verwickelt war. Er scheint ein recht friedlicher Typ gewesen zu sein. Aber eitel, das war zumindest mein Eindruck. Wir werden erst einmal sein Leben analysieren, Verwandte und Freunde befragen, außerdem …«
»Hören Sie mir jetzt genau zu, Herr Descho«, sagte Lily eindringlich. »Was ich Ihnen jetzt sage, ist eine bloße Vermutung. Aber wahrscheinlich hat Zachs Tod etwas mit unseren Serienmorden zu tun. Vor kurzem ist einem anderen Mann ebenfalls der Schädel eingeschlagen worden. Sein Haus in der Nähe von Wien ist abgebrannt. Dieser Mann hat behauptet, den Täter zu kennen. Vielleicht hat auch Zach zu viel gewusst. Es ist zwar schleierhaft, auf welche Weise Zach die Identität des Täters gekannt haben soll. Oder auf welche Weise er sonst in den Fall verwickelt war. Aber wir haben keine Zeit, lange nachzudenken. Deshalb bitte ich Sie, gezielt nach Zeugen zu suchen, die Fahrzeuge aus Wien gesehen haben. Oder einen Motorradfahrer. Und überprüfen Sie die Gäste, die in den Hotels der Umgebung übernachtet haben.«
Descho schnaufte hörbar. »Ich erledige das unverzüglich, Frau Doktor. Soll ich … muss ich Kaller informieren?«
»Behalten Sie es für sich. Je weniger Leute derzeit Bescheid wissen, desto besser. Die Gerüchteküche brodelt ohnehin schon auf höchster Stufe.«
»Frau Doktor, Sie hören von mir, sobald ich auch nur etwas halbwegs Sinnvolles entdecke.«
*
Die Sitzung mit den Beamten der Gruppe Belonoz begann um halb elf. Lily hatte eine Verschiebung um dreißig Minuten erbeten.
Als sie die Anwesenden über die Entwicklungen in Salzburg in Kenntnis gesetzt hatte, fiel ihr auf, dass sich die Stimmung im Besprechungsraum radikal verändert hatte. Die Spannung konnte beinahe mit den Händen ertastet werden. Nervosität, Konzentration, Angst, Hoffnung, alles war vorhanden. Selbst Belonoz hatte seine gewohnte Gelassenheit eingebüßt. Immer wieder ballte er seine Hände zu Fäusten, sein Gesicht war noch blasser als sonst. Die hellblauen Augen strahlten wie Suchscheinwerfer, irrten permanent durchs Zimmer.
Nika Bardel ergriff das Wort. »Mit dem Lederanzug, den wir im Kellerabteil von Nicole gefunden haben, stimmt etwas nicht.«
»Inwiefern?«, fragte Lily.
»Es gibt zwar eine Übereinstimmung mit den Lederspuren, die in der Wohnung von Selma Jordis gefunden worden sind. Die Lederpartikel wurden auf dieselbe Art und Weise bearbeitet, etwa die gleiche Imprägnierung und die gleiche Färbung. Auch dieselbe Ledersorte. Aber der bei Nicole Saborsky gefundene Anzug scheint völlig unbenutzt zu sein. Nur die Spuren, die bei der Herstellung anfallen, sind festgestellt worden. Sonst gar nichts«, sagte Bardel enttäuscht. »Nicht die geringsten Blutspuren. Auch der Helm ist brandneu.«
»Okay, das sind Tatsachen. Was ergibt sich daraus?«
Eine kurze Pause entstand, bis sich Belonoz räusperte und leise zu sprechen anfing. »Zum Beispiel, dass der bei Nicole Saborsky gefundene Lederanzug nicht zu unserem Fall gehört. Oder dass er gezielt dort plaziert worden ist. Oder beides zusammen.«
»Plaziert von wem denn?«, fragte Marlene Metka energisch. »Und zu welchem Zweck?«
»Da gibt es mehrere Möglichkeiten«, sagte Lily nachdenklich. »Ich werde heute Nachmittag bei der Vernehmung mit Nicole Saborsky darüber reden. Warten wir ab, was sie dazu sagt. Inzwischen sollte man recherchieren, wo der Lederanzug und der Helm gekauft wurden. Wer macht das?«
Schnell zeigte Belonoz auf Kovacs. »Seine Aufgabe.«
»Gut. Jetzt zu Labuda. Was ist der Stand der Ermittlungen, Herr Major?«
»Es gibt die üblichen Routineermittlungen in alle Richtungen samt Befragungen. Seiler ist darauf erpicht, die Tat aus der Perspektive des Pratorama -Skandals zu untersuchen. Bis dabei etwas herauskommt, das für uns interessant ist, können Wochen vergehen. Warum schalten wir uns nicht offiziell in diesen Fall ein, Frau Doktor?«
Steffek und Kovacs nickten und sahen Lily fragend an.
»Weil ich, ganz offen gesagt, ein Riesenchaos und Kompetenzgerangel befürchte. Außerdem lasse ich mir nicht gerne in die Karten schauen. Labuda hat mir gegenüber lediglich Andeutungen zum Täter gemacht. Wahrscheinlich aus
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