Maedchenauge
Selbstschutz. Warum ihn das nicht gerettet hat, ist eine andere Frage. Ich glaube, er hat gewollt, dass wir die Sache im Alleingang aufklären, aber zumindest wissen, in welche Richtung wir gehen sollen. Nur haben wir nicht die geringste Ahnung, auf wen seine Bemerkungen gemünzt waren. Wenn wir vorpreschen und unser Wissen mit weiteren Personen teilen, würde das dem Täter eventuell die Möglichkeit verschaffen, Spuren zu verwischen. Wir sind in dichtem Nebel unterwegs. Schreien wir laut, könnte uns das helfen. Aber auch jemandem verraten, wo wir uns befinden.«
»Nachvollziehbar«, sagte Belonoz, lehnte sich zurück und massierte sich die Stirn. »Wobei Labudas Tod noch mysteriöser wird, wenn man an den Mord in Dienten denkt. Ich kann mir nicht vorstellen, was irgendein Salzburger Landpfarrer mit dem Pratorama -Skandal zu schaffen haben sollte. Das wäre doch geradezu lächerlich.«
»Genau das ist der Punkt. Nehmen wir an, unser Serienmörder hat tatsächlich auch Labuda und Zach getötet und steht in einer Verbindung zu Pratorama . Nehmen wir außerdem an, dass Zach so wie Labuda gestorben ist, weil er etwas gewusst hat, das den Täter gefährden könnte. Welche Person passt in dieses Beziehungsgeflecht? Derzeit haben wir keinen einzigen Anhaltspunkt. Der Täter kann sich nicht sicher sein, wie viel oder was wir wissen. Vielleicht hat er Labuda und Zach ermordet, weil er bemerkt hat, dass wir auf der richtigen Spur sind.«
»Wir gehen also im Nebel in die richtige Richtung«, sagte Belonoz. »Wir wissen aber nicht, dass es die richtige Richtung ist. Nur der Mörder weiß das, und deshalb tötet er. Obwohl er nur vermutet … So ein Scheißdreck, das wird mir langsam zu philosophisch …«
»Ja, Herr Major, das ist fast schon Erkenntnistheorie. Wobei ein Mörder mit jedem neuen Mord auch immer mehr über sich selbst mitteilt. Besonders, wenn Zeugen ausgeschaltet werden. Eines ist klar, der Serienmörder hat jetzt Angst aufzufliegen. Andererseits fühlt er sich durch die Verhaftung von Tom und Nicole in seinem Stolz gekränkt. Beides setzt ihn unter Druck. Gut für uns … Da fällt mir ein, dass ich Ihnen die Sensation noch nicht gezeigt habe.«
Den vor ihr liegenden Unterlagen entnahm Lily ein paar großformatige Farbfotos und reichte sie an die Anwesenden weiter. »Vergrößerte Bilder der Überwachungskamera. Das Licht ist nicht ideal. Da hat Horvath besser gearbeitet. Aber es sind wenigstens die neuesten Bilder von unserem Täter.«
Wie elektrisiert und mit großen Augen beugte sich Steffek vor. »Woher sind die?«
Lily berichtete knapp von dem abermaligen Brief der Person, die sich Der Richter nannte. Danach teilte sie die Fotos aus, die sie mit dem Handy angefertigt hatte. »Diesmal ist das Schreiben kurz nach drei Uhr früh in den Briefschlitz beim Einganz zur Staatsanwaltschaft geworfen worden.«
»Wenigstens erkennt man beim Lichtkegel vor dem Briefschlitz eine Person in Lederkluft und Motorradhelm«, sagte Metka. »Auch nicht schlecht. Nicole oder Tom können das jedenfalls nicht gewesen sein.«
Steffek sah Lily begeistert an. »Also ist er wirklich in seiner Ehre getroffen. Genau das haben Sie erreichen wollen, Frau Doktor. Das ist gelungen.«
»Ich kann nur hoffen, dass er jetzt anfängt, Fehler zu machen. Aber vielleicht hat er schon damit begonnen. Man wird sehen, was sich bei den Ermittlungen zu den Morden an Labuda und Zach ergibt.«
Belonoz schien sich dagegen nicht verändert zu haben. Seine Miene war pessimistisch geblieben, sein Körper war eine einzige Abwehrhaltung. »Kein Grund für verfrühte Freude. Kommenden Samstag hat er die Möglichkeit, der Öffentlichkeit zu zeigen, wer der wahre Täter ist.«
Es wurde schlagartig still, niemand rührte sich.
»Das wäre in der Tat schlimm«, sagte Lily langsam. »In erster Linie für die betroffene junge Frau. Aber auch für uns. Die öffentliche Stimmung ist ohnehin gegen uns. Ein neuer Mord könnte uns endgültig das Genick brechen. Unsere Theorien würden in der Luft zerfetzt werden. Genau darauf könnte der Täter in seiner Panik abzielen. Ich bin absolut sicher, dass er am kommenden Samstag zuschlagen möchte.«
Erneut war man in der Sackgasse der Ratlosigkeit gelandet. Und der verdammte Zeitdruck hatte sich zurückgemeldet. Es blieben noch rund vier Tage.
»Wie kann man das verhindern?«, fragte Marlene Metka kleinlaut.
»Wir stellen uns am besten auf das Schlimmste ein«, sagte Lily und versuchte, ruhig zu wirken. »Oder
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