Maedchenauge
vorzubringen haben.«
»Das ist schlimm«, sagte Lily. »Solche Spekulationen können wir nicht brauchen. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Ich werde diese Herausgeberin, Frau Bonino, kontaktieren. So geht es nicht weiter.«
Belonoz lächelte müde. »Dann viel Glück. Bonino hat Haare auf den Zähnen.«
»Ich auch, wenn es sein muss. Und was gibt es sonst? Oder ist heute Abend alles nur unerfreulich?«
Marlene Metka kramte in ihren Unterlagen. »Wir haben die ersten Ergebnisse der DNA-Tests. Tom Saborsky hat sich in der Wohnung von Selma Jordis aufgehalten. Außerdem gibt es Spuren von Nicole Saborsky.«
»Na wenigstens das … Erstaunlich, wo wir so unfähig sein sollen … Was ist mit der Motorradfahrerkleidung in Nicoles Kellerabteil?«
»Sehr schwierig«, sagte Bardel mit schmalen Lippen. »Zugleich aber aufschlussreich. Spuren von diesem Leder sind in der Wohnung von Selma Jordis festgestellt worden. Aber es gibt einen Unterschied zu den Lederpartikeln der übrigen Tatorte.«
Lilys Gemüt hellte sich auf. »Fein. Das unterstützt die Ansicht, dass zwei verschiedene Mörder am Werk waren … Jetzt sage ich Ihnen etwas anderes, das unter uns bleiben muss. Ich besitze glaubwürdige Hinweise darauf, dass die Morde oder zumindest einige der Morde mit dem Skandal um Pratorama zusammenhängen.«
Man spürte das blanke Entsetzen im Raum. Nur in den Augen von Belonoz lag eine Mischung aus Überraschung und Skepsis.
Metkas Gesicht verriet, wie erschrocken sie war. »O mein Gott, das darf nicht … Das weitet die Ermittlungen noch mehr aus. Außerdem müssten wir mit den Kollegen im Fall Pratorama kooperieren.«
»Genau«, sagte Lily. »Diese Untersuchung könnte deutlich komplizierter werden. Ich weiß, dass Hans Labuda im Fall Pratorama unterwegs war und dabei möglicherweise ein bisschen zu viel recherchiert hat … Wissen wir übrigens schon mehr über Labudas Tod?«
Steffek meldete sich. »Er ist erschlagen worden. Die Schädelverletzungen sind klar erkennbar. Danach ist das Haus angezündet worden.«
»Also fügt sich auch das ins Bild. Endlich passen ein paar Puzzlestücke mehr zusammen. Und sonst?«
»Momentan noch nichts.«
Lily spürte das Brummen ihres Handys. An sich wollte sie es ignorieren, riskierte aber dann doch einen Blick auf das Display. Die Nummer kannte sie, daher überraschte sie der Anruf. Das musste entweder ein Irrtum, eine Banalität oder tatsächlich etwas Wichtiges sein.
»Entschuldigen Sie mich bitte kurz«, sagte Lily und stand auf.
Eilig begab sie sich auf den Gang und schloss die Tür zum Besprechungsraum. Geduldig hörte sie zu, was Descho ihr mitzuteilen hatte.
Als sie in das Sitzungszimmer zurückkehrte, registrierten alle Lilys innere Unruhe. Und die Nervosität im Raum stieg erneut an. Zumal Lily einige Sekunden brauchte, bevor sie die geeigneten Worte gefunden hatte.
»Ich habe gerade mit dem Salzburger Kollegen Descho telefoniert«, sagte sie schließlich leise und konzentriert. »Heute Abend ist ein Mann ermordet aufgefunden worden. Bei den Ermittlungen zum Mord an Magdalene Karner ist er von Descho befragt worden. Es handelt sich um den Pfarrer von Dienten. Sein Name war Helmut Zach. Er ist erschlagen worden. Genau wie Labuda, Herr Steffek. Aber das ist nicht alles. Zach sind außerdem die Augen ausgestochen worden.«
Lily ließ die Anwesenden die Nachricht kurz verdauen, dann fuhr sie fort: »Ich spüre, dass die Sache ihrem Höhepunkt zusteuert. Vielleicht auch ihrem Ende, weil der Mörder nervös geworden ist. Wie auch immer dieses Ende aussehen wird.«
Entsprechend war das Gefühl, das bei den Anwesenden im Besprechungsraum dominierte. Das Endspiel hatte begonnen.
Man musste sich noch einmal, trotz des beginnenden Kriegs mit den Medien, heftig zusammenreißen. Und sämtliche Kräfte für den Kampf sammeln.
Mittwoch, 23. Juni
32
Die Nacht hatte ihr kaum Schlaf beschert. Lily schien es jedoch, als hätte sie im Moment Erholung gar nicht nötig. Nach der abendlichen Besprechung war ihr zumute gewesen, als gelte es von nun an, pausenlos weiterzumachen. Die von der Nachtruhe erzwungene Unterbrechung hatte sie deshalb bloß als lästig empfunden.
Sie hatte sich vorgenommen, sich vom medialen Störfeuer nicht irritieren zu lassen. Denn sie besaß das Mandat zur Aufklärung der Morde. Sonst niemand. Nur Lenz konnte ihr das streitig machen und sie von dem Fall abziehen. Auch nach so kurzer Zeit. Doch solange das nicht der Fall war,
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