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Maedchenauge

Maedchenauge

Titel: Maedchenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian David
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er.
    »Marina, das ist echt gut«, sagte er und tat so, als könnte er sich vor Lachen kaum beruhigen. »Du wartest nicht einfach auf das, was ich sage. Sondern du ergreifst sofort die Initiative und drehst den Spieß um. Wirklich großartig.«
    Lohners Mund verzog sich so weit, dass man gerade noch von einem Lächeln sprechen konnte.
    »Ich gebe immer das Beste, Berti«, sagte sie. »Weißt du das denn nicht?«
    Auch ihr Tonfall war locker, doch ihre Augen blieben, voller Kälte, auf Stotz gerichtet und schienen kein Zwinkern zu benötigen.
    »Natürlich, Marina, ich kenne doch deine Qualitäten«, erwiderte Stotz heiter. »Du bist auch nicht zufällig zu meiner Stellvertreterin geworden. Deine Leistungen sprechen für sich. Alle wissen, dass du unverzichtbar bist.«
    Marina Lohner nickte freundlich: »Das ist fein, aber … worum geht’s?«
    Wieder lachte Stotz. »Aha, immer muss es um etwas gehen … Du bist und bleibst misstrauisch … Das finde ich irgendwie gut.«
    »Also?«, fragte Lohner unnachgiebig.
    Stotz sah sie an, und schließlich nickte er devot, als hätte er die Aussichtslosigkeit seiner Situation endlich begriffen.
    »Marina, die Lage ist leider brenzlig«, sagte Stotz und ließ Lohner nicht aus den Augen. »Wir brauchen einen Ausweg, eine Rettungsaktion. Vor allem für die Koalition. Die steht auf der Kippe.«
    Aus der letzten Wahl waren Berti Stotz und dessen Freunde als stimmenstärkste Partei hervorgegangen. Er hatte allen alles versprochen. Nur jenen, die sich nicht wehren konnten, weil sie zu alt, zu krank oder zu arm waren, hatte er die Kürzung von Beihilfen angedroht.
    Aber Stotz’ Partei hatte nicht genügend Abgeordnete für eine Mehrheit im Wiener Gemeinderat gewonnen und sich widerstrebend einen Koalitionspartner suchen müssen. Plötzlich hatte Stotz energisch dafür plädiert, mit Marina Lohner und deren Partei zu kooperieren. Sämtliche Beobachter waren überrascht gewesen, und fast schon empört hatten sie daran erinnert, dass er vor der Wahl jegliche Zusammenarbeit mit anderen Parteien ausgeschlossen hatte. Dabei war gerade das typisch für Stotz gewesen. Überraschungen jeglicher Art zählten zum Repertoire seiner Kunstgriffe und hatten ihm oft den entscheidenden Vorsprung verschafft. Wie jeder gute Intrigant nahm er Nachteile in Kauf, bloß um das Steuerrad in der Hand zu behalten.
    Was Stotz beabsichtigt hatte, war eingetroffen. Plötzlich hatten sich sogar kritisch eingestellte Medien vor Begeisterung überschlagen und über einen Sinneswandel des sonst nach billiger Beliebtheit lechzenden Stotz spekuliert. Er sei offenbar mit dem neuen Amt gewachsen, hatten sie verkündet. Weiter hätten sie von der Realität nicht entfernt sein können.
    Tatsächlich hatte Stotz nur einen leicht zu manipulierenden Koalitionspartner gesucht. Die Truppe um Marina Lohner war ihm als die geeignetste erschienen. Sie sehnte sich nach Aufmerksamkeit und Einfluss, er wiederum benötigte die Stimmen von Lohners Partei. So ergänzten einander beide Seiten. Außerdem hatte der populistische Stotz den Imagegewinn erkannt, der seiner Partei durch die Kooperation mit Lohners aufgeschlossenen, modern und international wirkenden Leuten zuteilwerden würde.
    Marina Lohner blickte Stotz emotionslos an. »Ich weiß nicht genau, was du meinst, Berti.«
    »Ich spreche von Unser Wien. Sicheres Wien. Ich habe dich unterstützt, wenn Journalisten bohrende Fragen gestellt haben. Zum Beispiel, ob diese teure Kampagne notwendig ist. Aber jetzt … Etwas läuft schief.«
    Sehr sanft und geradezu väterlich hatte Stotz diese Sätze gesagt. In bester Wiener Tradition, wo man es liebte, die Einleitung von Kriegshandlungen hinter einem Paravent aus rosa Schleiern zu verbergen. Deshalb wirkte Lohner mit einem Mal nervös und verunsichert, als hätte man ihr einen Tritt in den Magen verpasst. Sie kannte das Spiel, sie war eine Wienerin.
    »Worauf willst du hinaus, Berti?«
    »Du musst die Realität zur Kenntnis nehmen. Sonst leidet unser Image.«
    »Wieso denn? Ich habe diese Kampagne erfunden, um den kommenden Wahlkampf vorzubereiten.«
    Bei seinem Amtsantritt hatte Stotz in seiner gewohnt großspurigen Art geschworen, Wien zur sichersten Stadt der Welt zu machen. Nach der Wahl hatte er das Sicherheitsthema großzügig seiner Koalitionspartnerin überlassen. Mittlerweile fragten sich viele Wiener, was aus diesem Versprechen geworden war. Und ob Stotz nicht doch bloß das Großmaul mit den vollmundigen Behauptungen war, als

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