Maedchenauge
Kenntnisse anmaßte, die er nicht haben konnte. Nein, ein Dorfpfarrer hatte definitiv keine Ahnung, wie es sich anfühlte, für die Kriminalpolizei zu arbeiten.
Schließlich hatte Zach äußerst geschickt begonnen, das Thema auf sich selbst und seine sportlichen Aktivitäten zu lenken. Stolz hatte er von seinem samstäglichen Squashspiel im nahen Saalfelden berichtet, als wäre er nach einem Alibi gefragt worden. Da hatte es Descho gereicht. Den Redeschwall des Priesters ausblendend, hatte er einen Blick auf dessen makellos manikürte Finger und die schlanke Figur geworfen. Und beschlossen, die Flucht vor einem eitlen Einzelgänger anzutreten, der von der Begegnung mit einem echten Kriminalpolizisten allzu begeistert war.
Via Funk meldete sich Descho bei der Salzburger Zentrale. Auch die Kollegen hatten die Karners noch immer nicht aufgestöbert. Descho sorgte sich um den Erfolg, den er den arroganten Wiener Kollegen präsentieren wollte.
Noch einmal fuhr er durch Dienten und die schmale Straße hinauf bis zum ersten Skilift außerhalb des Dorfs. Er wollte sich vergewissern, ja nichts übersehen zu haben. Angestrengt musterte er, was ihm in den Blick kam. Er war nicht gewillt, die Hoffnung aufzugeben.
Doch er fand nicht den kleinsten Hinweis. Es blieb nur der Weg zurück nach Salzburg. Ergebnislos, mit leeren Händen. Vor allem jedoch enttäuscht. Dabei hätte Descho schwören können, dass hier etwas in der Luft lag und bloß darauf wartete, entdeckt zu werden.
Als Descho seinen Dienstwagen auf der einspurigen Straße wenden wollte, näherte sich ein Auto, das in hohem Tempo talabwärts in Richtung Dienten unterwegs war.
Es war ein schwarzer Mercedes. Auf dem Dach befestigte weiße Fähnchen und Girlanden zeigten an, dass jemand geheiratet hatte. Ein Paar hatte die Herausforderung angenommen, die guten und die schlechten Zeiten miteinander zu verbringen. Vielleicht würden die beiden Kinder haben. Ihnen mit Liebe und viel Mühe beim Aufwachsen helfen, in der Hoffnung, sie damit auf ein geglücktes Leben vorzubereiten. Stets voller Sorge, dass diesen Kindern ja nichts passieren und sich niemand unterstehen würde, ihnen etwas anzutun.
Nervös aktivierte Descho den Blinker.
Dem Mercedes folgte ein dunkelblauer Volvo älteren Typs. Das Kennzeichen des Wagens zeigte an, dass er aus der Stadt Salzburg stammte.
Offenbar war er bereits etwas unaufmerksam geworden. Anders konnte Descho es sich nicht erklären, dass er einen zweiten Blick benötigte, um völlig sicher zu sein.
Natürlich war es das Auto, das er die ganze Zeit über gesucht hatte.
5
Dort drüben hatte Magdalena Karner Musik gehört, gelernt, geschlafen, gelebt. Vom Fenster seines Büros aus konnte Major Belonoz einen Teil des Hauses sehen, in dem die Studentin getötet worden war. Wie die Kriminaldirektion lag es am Donaukanal, einen knappen Kilometer flussabwärts. Niemals zuvor hatte Belonoz dem Betonklotz Beachtung geschenkt. Nun schien es ihm beinahe, als sollte ihm seine Ohnmacht angesichts des anonymen Täters dauerhaft vor Augen geführt werden.
»Fassen wir zusammen«, sagte Belonoz und drehte sich zu Steffek um. »Was haben wir? Wie machen wir weiter?«
»Zunächst zum Opfer«, begann Steffek. »Magdalena Karner stammte aus Salzburg, sie war zweiundzwanzig Jahre alt. Seit vier Jahren war sie Studentin an der Medizinischen Universität und wohnhaft in Wien. Keine Vorstrafen und auch sonst völlig unauffällig. Nicht einmal irgendein Verkehrsdelikt.«
»Eine brave Staatsbürgerin«, murmelte Belonoz, begab sich zu seinem Schreibtisch und ließ sich erschöpft in den Sessel fallen.
»Neuigkeiten von den Eltern?«, erkundigte sich Steffek betont beiläufig.
»Keine Spur«, antwortete Belonoz.
Fassungslos schüttelte er den Kopf, hatte aber keine Lust mehr, sich aufzuregen.
»Und die Hausbewohner, haben die was bemerkt?«, fragte er.
»Das Problem ist, dass viele Nachbarn am Wochenende nicht in Wien waren.«
»Schön für sie, aber eine genaue Befragung bleibt ihnen nicht erspart«, sagte Belonoz. »Vielleicht hat sich der Täter in den vergangenen Tagen im Haus herumgetrieben, um die Lage auszukundschaften. Oder einer der Bewohner hat mehr mit dem Mord zu tun, als wir ahnen. Relativ unwahrscheinlich bei einem Serienmörder. Aber untersuchen muss man es.«
»Wird derzeit erledigt. Übrigens muss die unmittelbare Nachbarin der Ermordeten zur Tatzeit in ihrer Wohnung gewesen sein. Eine ältere Dame, die behauptet, nichts gehört oder
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