Maedchenauge
gefunden.«
»Und was sagen sie?«, erkundigte sich Steffek.
»Nichts. Wir müssen warten.«
»Wieso?«, fragte Nika Bardel misstrauisch und warf Belonoz einen scharfen Blick zu.
*
Zuerst zweimal über die Ringstraße, danach den Donaukanal flussabwärts, über eine Brücke zum anderen Ufer und flussaufwärts. Ziellos kurvte Marina Lohner in ihrem Jaguar durch Wien. Sie wusste weder, was sie wollte, noch, wohin sie sollte.
Sie versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Sich zu überlegen, wie ihre nächsten Schritte aussehen könnten. Unweit des Kahlenbergs, mitten im Grünen, wo niemand sie beobachten konnte, hielt sie an. Sie stieg aus ihrem klimatisierten Auto und holte Luft. Die Hitze war ihr in diesem Moment egal.
Sie hatte keine Antworten, weil sie noch nicht einmal die dazugehörenden Fragen hatte. Orientierungslos war sie, verwirrt, verärgert und verzweifelt.
In ihrer großen Handtasche kramte sie nach ihrem Handy. Sie hatte erkannt, dass sie in diesem Zustand Hilfe benötigte. Allein schaffte sie es nicht mehr.
Eine Viertelstunde später fuhr Lohner in die Tiefgarage eines Hauses in der Sieveringer Straße, wo sie ein Dachgeschoß bewohnte.
Als sie ausgestiegen war und die Wagentür zugeschmissen hatte, sah sie die Person. Reglos stand sie ungefähr zehn Meter entfernt. Schließlich begann sich die Person mit langsamen Schritten zu nähern. Es gab kein Entkommen, nicht hier und nicht jetzt.
»Eines muss ich wissen«, sagte die Person leise und blieb stehen. »Willst du weitermachen?«
In diesem Augenblick kehrte Lohners Selbstsicherheit zurück. Als hätte das Schicksal sie bloß auf die Probe gestellt. Was gerade erst gewesen war, fiel von ihr ab wie Schnee von einem imprägnierten Wintermantel. Sie war wieder eine professionelle Politikerin. Und als solche kannte sie ihre Ziele, wollte sie verwirklicht sehen.
»Ja, das möchte ich unbedingt«, erwiderte die Vizebürgermeisterin mit kalter, mühsam unterdrückter Wut. »Berti Stotz hat nichts anderes verdient. Auch wenn es schwierig wird.«
»Es könnte Opfer geben.«
»Das wird kaum zu vermeiden sein.«
*
Die Fahrt im Zwielicht der Dämmerung über die von ebenso rasanten wie reaktionsarmen Wochenendheimkehrern verstopfte Autobahn war mühsam. Auf keinen Fall durfte Descho den blauen Volvo aus den Augen verlieren. Noch in Dienten hatte sich Descho dazu entschieden, den Karners vorläufig bloß zu folgen. Telefonisch waren sie weiterhin nicht erreichbar, offenbar hatten sie ihre Handys abgeschaltet.
Also galt es abzuwarten. Selbst wenn es Druck aus Wien gab, die Sache möglichst rasch zu klären. Das war Descho egal. Er wollte keine schnelle, sondern die richtige Lösung.
Erstmals atmete Descho auf, als der Volvo auf den Salzburger Stadtteil Liefering zusteuerte. Dann noch einmal, als der Volvo in einer Lieferinger Wohnsiedlung geparkt wurde und zwei Personen Anstalten machten, den Wagen zu verlassen. Sie waren auf dem Heimweg, nicht auf der Flucht.
Zugleich war abzusehen, was folgen würde. Deshalb schlug Deschos Herz jetzt wieder schneller.
Rasch stellte er sein Auto ab und hastete in Richtung der beiden Personen, die sich dem Eingang zu ihrem Wohnhaus näherten. Descho erkannte, dass sie sich über den davor postierten Streifenwagen wunderten und ein paar Worte wechselten. Aber da war er schon bei ihnen.
Er wies sich als Beamter der Salzburger Kriminalpolizei aus und fragte sie, um einem möglicherweise gravierenden Irrtum vorzubeugen, nach ihren Namen. Ja, sie waren es, Herr und Frau Karner.
Behutsam gab ihnen Descho zu verstehen, dass er mit ihnen reden müsse. Dergleichen glaubhaft zu kommunizieren, darauf verstand er sich. Sie musterten ihn zwar mit großen Augen, und er bemerkte, wie Misstrauen in den beiden keimte. Aber sie erlaubten ihm, mit in die Wohnung zu kommen. Einer der uniformierten Polizeibeamten, die vor dem Haus ausgeharrt hatten, folgte ihnen und bezog vor der Wohnungstür Stellung.
Die Räume waren ohne gestalterischen Ehrgeiz möbliert, aber auffällig sauber und beinahe schon übertrieben ordentlich. Im Wohnzimmer wurde Descho bedeutet, am hölzernen Esstisch Platz zu nehmen. Frau Karner fragte ihn, ob er etwas trinken wolle, doch er verneinte höflich. Sein Durst war verschwunden und er spürte die plötzliche Beklommenheit. Es galt, das Unvermeidliche hinter sich zu bringen. Danach würde nichts mehr sein wie zuvor. Er selbst würde nach Hause gehen und mit seinen Kindern spielen können, sein Leben
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