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Maedchenauge

Maedchenauge

Titel: Maedchenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian David
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des Verlegers wieder zurückgedrängt worden. Doch Bonino hatte in die Brusttasche seines Sakkos gegriffen, eine Visitenkarte herausgeholt und emotionslos bemerkt: »Rufen Sie mein Büro an, wenn Sie sich entschieden haben, wem Sie den Vorzug geben. Der Kunst oder dem Journalismus. Beides zusammen geht nicht.«
    Am folgenden Tag hatte sie sich telefonisch bei seinem Büro gemeldet und den Eindruck gewonnen, ihr Anruf sei bereits erwartet worden. Sie habe sich für die Kunst entschieden, hatte Alexandra Derflinger mitgeteilt und gebeten, Herrn Bonino davon zu unterrichten. Eine Woche später hatte sie eine SMS mit der Einladung zu einer Besichtigung der Rainer-Sammlung in Boninos Villa erhalten. Was sie dabei erwarten würde, hatte sie nicht gewusst. Ebenso wenig, dass Rudolf Bonino sie persönlich durch die Sammlung leiten wollte. Nach drei Stunden hatte er sich bei ihr erkundigt, was sie nun mit ihrem Leben anfangen wolle. Sie habe ja doch versprochen, dem Journalismus abzuschwören. Gänzlich ironiefrei war sein Tonfall gewesen, und sie hatte ihm sehr ernst geantwortet, dass von diesem Moment an alles offen sei. In jeglicher Hinsicht, beruflich wie privat.
    So hatten das erste wirkliche Gespräch und letztlich auch die Beziehung mit Rudolf Bonino angefangen. Ihren Vertrag als freie Mitarbeiterin eines Wochenmagazins hatte Alexandra Derflinger noch in der Nacht gekündigt. Von Bonino war sie damit beauftragt worden, die Rainer-Sammlung neu zu katalogisieren und einen großen Bildband als Autorin zu betreuen. Dieses Projekt war zwar nie über das Planungsstadium hinausgelangt. Dafür jedoch hatten Rudolf Bonino und Alexandra Derflinger fast genau sechs Monate nach ihrem Kennenlernen geheiratet.
    Kein österreichisches Medium hatte es gewagt, auch nur ein Wort über die Beziehung oder die Hochzeit der beiden zu verlieren. Desgleichen war die Scheidung Rudolf Boninos von seiner bisherigen Frau samt großzügiger Abfindung für sie und die drei Söhne unerwähnt geblieben. Das Privatleben des Medienzaren hatte stets als tabu gegolten, ansonsten wären Anwälte in teuren Maßanzügen auf den Plan getreten. Alles hatte sich von da an hinter einer Mauer des Schweigens vollzogen. Deshalb hatte Alexandra Derflinger in aller Ruhe zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn, zur Welt bringen können. Vor allem jedoch hatte sie sich als Sasha Bonino neu erfinden können.
    Vor fünf Jahren war sie mit dem Geld ihres Mannes selbst zur Verlegerin und Zeitungsherausgeberin aufgestiegen. Unter enormem finanziellen Einsatz war mit Clip24 ein Boulevardblatt auf die Beine gestellt worden, dessen rücksichtslose Aggressivität die österreichische Medienlandschaft durchrütteln sollte. So unbemerkt und unterschätzt die Journalistin Alexandra Derflinger einst vor sich hin geschrieben hatte, so erfolgreich und bis in höchste politische Kreise respektiert agierte nun die Herausgeberin Sasha Bonino. Nur wenige wussten, dass diese zwei Namen derselben Frau gehörten. Die es doch taten oder gewisse Zusammenhänge ahnten, hielten den Mund. Auch ehemalige Kollegen. Weil sie keineswegs sicher sein konnten, nicht irgendwann mangels anderer Möglichkeiten im Bonino-Reich anheuern zu müssen.
    Rudolf Bonino war seit knapp zwei Jahren tot. Seitdem galt Sasha Bonino als unangefochtene Alleinherrscherin in ihrem ererbten Imperium. Keine Gelegenheit ließ sie sich entgehen, dies andere Menschen spüren zu lassen. Die Jahre der Missachtung und Zurückweisung hatten Spuren hinterlassen. Sie verlangten nach einer Kompensation, die nicht zu stillen war.
    Daher rührte auch die Angst bei Clip24 . Jeder Redakteur, jede Fotografin, die Layouter oder die gestresste Anzeigenabteilung waren permanent auf der Hut. Motor aller Befürchtungen war die Willkür, die auszuleben sich Sasha Bonino regelmäßig gestattete. Schon kleinste Anlässe genügten, um für unfähig gehaltene Mitarbeiter zu feuern. Die wurden prompt von der Security vor den Eingang des Glaspalasts in der Praterstraße eskortiert. Nicht einmal ihre Schreibtische durften sie aufräumen. Persönliche Sachen wurden in Pappkartons nachgereicht.
    »Kann schon sein, dass es Ihnen genügt«, sagte Sasha Bonino hauchend und an der Grenze zur Unhörbarkeit. Es war Redaktionssitzung, und die Redakteure kannten ihre Chefin. Dass diese Feststellung und der Tonfall nichts Gutes verhießen, wussten sie.
    »Aber mir genügt es nicht«, setzte die Herausgeberin fort.
    Heute hatte sie ihr Verlegerinnen-Kostüm

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