Maedchenauge
auf jemanden hin, der möglicherweise tatsächlich etwas mitzuteilen hatte.
»Offen gesagt, ich wollte mich eigentlich schon selbst bei der Polizei melden«, bemerkte Kloves, als er kurz darauf anrief. »Ich habe gehört, was vorgefallen ist. Sebastian war ein guter Freund. Auch wenn …«
Er machte eine kurze Pause, offenbar um die geeigneten Worte zu finden. Da sah Descho seine Chance. »Treffen wir uns doch. Ein persönliches Gespräch unter vier Augen ist immer vorzuziehen. Hätten Sie heute Zeit. Vielleicht sogar innerhalb der nächsten Stunde?«
»Das ließe sich machen, allerdings muss ich heute unbedingt noch lernen. Übermorgen habe ich meine Diplomprüfung.«
»Verstehe. Wollen Sie zu mir ins Büro kommen?«
»Also von der Logistik her … ich meine, es wäre mir lieber, wenn wir uns in der Altstadt treffen könnten. Dann bin ich schneller wieder zu Hause und spare Zeit. Wie wäre es mit dem Café Tomaselli?«
»Hervorragend«, sagte Descho und versprach, in zehn Minuten dort zu sein.
Pünktlich betrat Descho das Kaffeehaus. Kurz dachte er daran, wie lange er schon nicht mehr hier gewesen war. Das Tomaselli wurde bevorzugt von sehr bürgerlichen Salzburgern und Touristen frequentiert, die sich im holzgetäfelt-historischen Ambiente wohlfühlten. Ganz normale Salzburger wie Descho ließen sich dort selten blicken. Mit den Touristen, die ohnehin bereits die engen Gassen der Altstadt verstopften, wollten sie nicht auch noch im Kaffeehaus konfrontiert sein.
Er hatte keine Zeit gehabt, sich zu überlegen oder zu recherchieren, wie Kloves aussehen könnte. Dennoch erkannte er ihn sofort. Ein Mittzwanziger in Jeans und grauem Leinensakko, aus dessen Brusttasche ein auffällig gemustertes Stecktuch ragte. Dazu ein offenes weißes Hemd und leicht abgetragene, eindeutig teure Mokassins.
Auf dem Tisch lag ein Stapel Bücher. Der Student erhob sich höflich, als sich Descho ihm näherte.
»Das finde ich aufregend«, sagte Kloves, nachdem sie sich gesetzt hatten. »Ich habe noch nie mit einem Kriminalbeamten gesprochen. Gut, dass ich diese Erfahrung mache, ohne dazu gezwungen zu sein. Oder wollen Sie mich verhaften?«
Descho rang sich ein Lächeln ab. »Das kommt darauf an, was Sie getan haben.«
Kloves sprach gewählt, gestikulierte sparsam, doch elegant. Seine großbürgerliche Herkunft verhehlte der Mittzwanziger nicht. Er demonstrierte vollendete Höflichkeit und Hilfsbereitschaft, zugleich unverkrampfte Selbstsicherheit. Descho überlegte, was ihn wohl mit Sebastian Emberger verbunden haben mochte.
Kloves begann zu erzählen, in einem Tonfall distanzierter Gelassenheit. »Ich kenne Sebastian schon … beziehungsweise ich kannte ihn seit etwa acht Jahren. Wir haben einander auf der Geburtstagsfeier einer gemeinsamen Freundin getroffen und uns sofort gut verstanden. Die Verbindung zwischen uns ist seither eigentlich nie abgerissen, bis auf …«
»Ja?«, fragte Descho und bemühte sich dabei um einen angemessen lockeren Tonfall. Er versuchte Menschen, die er vernahm, stets dort abzuholen, wo sie sich befanden.
»Sagen wir, es gab eine Zeit, wo wir einander eher selten gesehen haben. Aber gerade in letzter Zeit hatten wir intensiven Kontakt. Sebastian hat auf den ersten Blick ein sehr anderes Leben gelebt, als ich es schätze. Mit großartigem Auto und hübschen Mädchen, tollen Partys … Darauf lege ich nicht so viel Wert. Aber in seinem Inneren war Sebastian anders, als man hätte glauben können.«
»Wie würden Sie das beschreiben?«
»Er war viel tiefgründiger. Die Luxusaccessoires, mit denen er sich umgeben hat, waren nur Requisiten. Wie in einer Theaterinszenierung. Innerlich hat ihn vieles bewegt, das man ihm nicht zugetraut hätte, wen man ihn bloß oberflächlich kennengelernt hat. Daran waren seine Eltern schuld.«
»Inwiefern?«
»Sie wissen ja, dass seinen Eltern dieses Nobellokal gehört. Schicker Ort für schicke Leute. Übrigens mit höchst mittelmäßigem Essen, wenn Sie mich fragen. Aber dort zählt nur der Schein, nicht das Sein. Und der Sohn musste natürlich in diese Atmosphäre passen. Um später den Betrieb zu übernehmen und auszubauen. Das haben ihm die Eltern ständig eingeschärft. Sebastian sollte einmal der Restaurantkönig von Salzburg werden. Und so haben sie ihn ständig mit Gästen der Festspiele, Wirtschaftsmagnaten, Opernsängern und anderen sogenannten Prominenten zusammengebracht. Und er hat das Spiel mitgespielt.«
»Hat er das gerne getan?«
»Eigentlich
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