Maedchenauge
Überhaupt nicht! Sie waren ja verabredet!«
»Sebastian und Magdalena?«
»Wer sonst? Das sollte die große Wiedervereinigung werden. Am Sonntag hat er seinen Eltern mitteilen wollen, dass er sich von Tina trennen würde. Dazu ist es leider nicht mehr gekommen. Es hat ein Problem gegeben.«
»Welches?«
»Er war zu spät dran.«
»Was meinen Sie damit?«
»Schlicht und einfach die Tatsache, dass die beiden eine Verabredung für den Abend in Wien hatten. Aber Sebastian ist von seinen Eltern aufgehalten worden. Sie haben ihn wieder heftig unter Druck gesetzt. Und ihn zu einer Einladung geschleppt. Erst am späten Abend hat er sich losreißen können.«
»Um wie viel Uhr war das?«
»So gegen dreiundzwanzig Uhr. Dann ist er nach Wien gefahren. Wo er sich eigentlich um einundzwanzig Uhr mit Lena hatte treffen wollen.«
»Also hat Sebastian Emberger das Treffen versäumt?«
»Wahrscheinlich. Aber genau weiß ich das natürlich nicht. Ich habe ja nicht mehr mit ihm sprechen können. Nur die Nachricht hat mich erreicht, die ich Ihnen gezeigt habe.«
»Was schließen Sie daraus?«
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wirklich nicht. Ob sie einander doch noch getroffen haben, oder ob sie über sein Nichterscheinen erbost war und ihn daher sitzengelassen hat … Wer soll das wissen?«
Descho hatte genug erfahren. Kloves verabschiedete sich höflich und ging mit seinen Büchern heimwärts. Nachdem Descho in seinem Büro angekommen war, verfasste er eilig einen Bericht und mailte ihn an Lily Horn.
*
Horvath hatte sich geweigert, auch nur ein Wort ohne seinen Rechtsanwalt zu sagen. Schließlich war nach einer halben Stunde ein junger Mitarbeiter von Horvaths Anwalt Georg Sima eingetroffen.
Er war jung, sehr dünn und saß in einem verknitterten dunklen Anzug neben Horvath. An seinem Gesicht war abzulesen, wie wenig begeistert er war, zu dieser Stunde einem Verhör beiwohnen zu müssen.
»Noch einmal, Herr Horvath«, sagte Lily. »Ich möchte wissen, ob die Bilder, die ich Ihnen gerade vorgeführt habe, von Ihnen stammen. Können Sie das bestätigen?«
Horvath blickte unwillig drein und schwieg. Die Untersuchungshaft hatte ihn verhärtet. Er betrachtete sich als Opfer, das von lauter Gegnern umgeben war. Seine voyeuristischen Aktivitäten waren aufgeflogen. Was einmal sein gut gehütetes Geheimnis gewesen war, kannten nun alle. Er fühlte sich schutzlos und rettete sich in eine permanente Verweigerungshaltung.
Lily versuchte es erneut. »Ich nehme nicht an, dass ausgerechnet Sie mir diese DVD geschickt haben. Und auch niemanden dazu veranlasst haben, sie mir zukommen zu lassen. Aber es handelt sich um Ausschnitte aus den Videos, die Sie von Ihrer Wohnung aus beim Beobachten von Magdalena Karner angefertigt haben. Wie aber gelangt jemand anderer in den Besitz Ihrer Videos? Etwa über das Internet? Haben Sie Ihre Videos im Internet angeboten oder verkauft?«
Lily stellte diese Fragen, auch wenn sie wusste, dass die Durchsuchung von Horvaths Wohnung nichts dergleichen ergeben hatte. Aber vielleicht war Horvath vorsichtig vorgegangen. Vielleicht hatte er seine Spuren gut verwischt.
Horvaths junger Rechtsbeistand beugte sich zu seinem Mandanten. Sie flüsterten kurz miteinander, dann sah Horvath die Staatsanwältin an. »Also, das sind Aufnahmen, die ich gemacht habe. Aber ich habe sie Ihnen nicht geschickt. Mehr will ich nicht sagen.«
»Warum nicht, Herr Horvath?«, fragte Lily. »Es geht hier um wichtige Beweismittel in einer Untersuchung der Staatsanwaltschaft. Wir müssen wissen, wer noch im Besitz dieses Materials ist.«
Aber Horvath saß nur stumm da, blickte ins Leere und schüttelte trotzig seinen Kopf.
»Herr Anwalt, können Sie überhaupt nichts tun?«, sagte Lily zu dem jungen Menschen, der seine Arme ausbreitete, um seine Ohnmacht zu demonstrieren.
Major Belonoz rutschte inzwischen unruhig auf seinem Sessel hin und her, kontrollierte sein Handy, erhob sich schließlich und ging zu Lily.
»Kovacs ist da«, raunte er in ihr Ohr. »Etwas ganz Wichtiges, und sehr dringend. Gehen wir raus zu ihm?«
Lily nickte. »Kurze Unterbrechung. Bitte, Herr Horvath, beraten Sie sich noch einmal mit Ihrem Anwalt, bis ich wieder zurück bin.«
Draußen am Gang wartete Kovacs. Sein Gesicht strahlte stolz.
»Das müssen Sie sehen, einfach unglaublich!«, sagte er und reichte Lily drei Bögen Papier.
Lily war zuerst nicht klar, was sie davon halten sollte. Bis sie bemerkte, dass Kovacs ein paar Seiten der
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