Maedchenauge
eher widerwillig. Aber oberflächlich hat er sich gefügt. Die Eltern haben einen subtilen Druck auf ihn ausgeübt. Dass Sebastian in Wahrheit ein sehr sensibler Mensch war, haben sie nie kapiert. Und er hat das geschickt vor ihnen verborgen. Ob das klug war, möchte ich dahingestellt lassen.«
»Interessant, Herr Kloves. Und welche Rolle hat Magdalena Karner in seinem Leben gespielt?«
»Ich merke, Sie möchten zum eigentlichen Thema kommen. Gut, das kann ich verstehen. Dann lassen Sie sich gesagt sein, dass Magdalena Karner seine große Liebe war. Mit allem, was dazugehört.«
»Was gehört denn dazu?«
»Der ganze Wahnsinn einer intensiven Liebe natürlich. Alles, was den Verstand der Durchschnittsbürger übersteigt. Und das musste vor den Eltern verborgen werden.«
»Die haben aber von dieser Verbindung gewusst, oder?«
»Sicher, aber sie haben es geschafft, dass er Magdalena verlassen hat. Und dass er dann mit dieser Tina zusammengekommen ist. Eine blonde … na ja, Tussi, um es so flapsig zu formulieren. Aber aus sogenanntem guten Haus. Die Tochter eines Hoteliers. Damit waren die Eltern hochzufrieden.«
»Aber Sebastian Emberger nicht?«, fragte Descho.
»Natürlich nicht. Darauf hat er sich nur den Eltern zuliebe eingelassen. In Wahrheit hat er diese Tina ziemlich uninteressant gefunden. Was sie auch ist. Ich kann das beurteilen, ich habe sie kennengelernt. Sie hat keine anderen Gesprächsthemen als Shopping, teure Fernreisen, Lokalbesuche, Cocktails, Partys. Und lächerliche Hundezüchtungen.«
»Angeblich soll es zwischen den beiden eine körperliche Auseinandersetzung gegeben haben.«
»Selbstverständlich. Und nicht nur einmal. Wissen Sie, so nett und lieblich sich Tina in der Öffentlichkeit gibt … Sie kann sehr herrschsüchtig sein. Ein Kontrollfreak im Kostüm einer harmlosen Blondine. Das hat Sebastian vollkommen irritiert. Wenn sie wenigstens immer nett gewesen wäre … aber diese Doppelgesichtigkeit hat ihn abgestoßen. Deswegen wollte er sie schließlich verlassen.«
»Hat er das getan?«
»Nein, dazu ist es nicht mehr gekommen. Er hat es zu lange hinausgezögert. Wann immer es auch nur den Hauch einer Krise zwischen den beiden gegeben hat, haben alle Druck auf ihn ausgeübt. Seine eigenen Eltern, dann die Eltern von Tina, und natürlich Tina selbst.«
»Und welche Rolle hat Magdalena Karner gespielt?«
»Die war immer präsent. Immer. Magdalena und er haben regelmäßig miteinander telefoniert. Und es ist zu vereinzelten Treffen gekommen. Wie gesagt, sie haben heimlich geplant, wieder zusammenzukommen.«
»Auch Magdalena hat das gewollt?«
»Daran sollten Sie nicht zweifeln, Herr Leutnant Descho. Ihre Beziehung hat auf Gegenseitigkeit beruht. Ich weiß das ganz genau. Aus eigener Anschauung ebenso wie durch die Erzählungen von Sebastian.«
»Aber sie hat dennoch in Wien studiert?«
»Es gibt ja Autos und Autobahnen, oder? Sebastian ist regelmäßig nach Wien gefahren.«
»Wissen Sie das genau? Und war das auch in letzter Zeit so?«
»Gerade eben in letzter Zeit. Und auch wenn sie nicht verabredet waren, ist Sebastian nach Wien gefahren. Einfach um in ihrer Nähe zu sein, in der Stadt, in der sie gelebt und studiert hat. Jedes Wochenende ist er in seinem BMW nach Wien gerast. Am Samstagnachmittag hin und am Sonntag wieder zurück.«
»Wo hat er in Wien gewohnt?«
»In seinem Auto. Manchmal ist er noch in der Nacht nach Salzburg zurückgekehrt, in den frühen Morgenstunden. Oder er ist länger geblieben. Mir hat er gesagt, er hätte sich auf den Straßen herumgetrieben, in der Nähe ihrer Wohnung. Um ihre Anwesenheit zu spüren.«
»Das wissen Sie genau?«
»Sicher. Sie könnten das ja überprüfen, durch seine Handydaten zum Beispiel.«
Descho nickte, sagte aber nichts.
»Und wie war es am vergangenen Samstag?«, fragte er.
»Sie meinen den Samstag, als Magdalena ums Leben gekommen ist? So wie immer. Sebastian ist nach Wien gefahren. Und als ich am Sonntagmorgen aufgewacht bin, habe ich diese Nachricht auf meinem Handy vorgefunden.«
Kloves zückte sein Mobiltelefon, drückte ein paar Tasten und reichte es Descho.
Dort war zu lesen: Jetzt bin ich schuldig geworden. Kein Weg führt mehr zurück. Alles ist aus.
»Das hat er Ihnen also per SMS mitgeteilt?«
»Ja. Um drei Uhr früh. Sehen Sie hier auf dem Display.«
Descho fühlte, wie ihm heiß wurde. »Was glauben Sie, hat Emberger damit gemeint? Er war wieder zufällig in Wien und …«
»Nein, nicht zufällig!
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