Maedchengrab
unter anderem Cafferty, beim Verlassen der Kapelle.
»Die Familie hat mich eingeladen«, erklärte Cafferty.
»Ich wusste gar nicht, dass ihr euch kennt.«
»Ich kenne Darryl.«
»Seit wann? Ist noch nicht lange her, da wusstest du nicht mal, dass er für Frank Hammell arbeitet.«
»Den Tipp habe ich von dir.« Cafferty hob sein Glas, als wolle er ihm zuprosten.
»Und seitdem hast du dich bei der Familie eingeschleimt.«
»Darryl wollte, dass ich komme.«
»Aber warum?«
» Was Geschäftliches.« Cafferty nahm einen Mundvoll Whisky, kostete ihn aus, bevor er ihn hinunterschluckte.
»Ich hab Hammell nicht unter den Gästen gesehen.«
»Konntest du auch nicht.«
» Weil er abgesägt wurde?«, riet Rebus. »Du hast Darryl gegen ihn aufgebracht?«
»Du tust dem Jungen unrecht.«
» Was soll das heißen?«
»Nur dass meine Hilfe gar nicht nötig war. Der kleine Darryl hatte es von Anfang an auf Frank Hammell abgesehen.«
Rebus brauchte einen Augenblick, um das zu verdauen.
»Ich würde sagen, der wird deinen Leuten in den kommenden Jahren noch viel Kopfschmerzen bereiten«, fuhr Cafferty fort, »jedenfalls solange er’s schlau anstellt und Glück hat.«
»Und wo ist Hammell jetzt?«
»Der hält den Ball flach.«
»Das kauf ich dir nicht ab.«
»Der Junge hat ihn abserviert. Hat Hammells Leute rausgeschmissen und seine eigenen installiert. Und zwar ohne dass Hammell Wind davon bekommen hat, was bedeutet, dass er sehr clever sein muss. Hätte Hammell was geahnt, läge Darryl jetzt irgendwo im Wald verscharrt.«
»Abseits der A9?«
»Ganz egal wo.«
Rebus schüttelte langsam den Kopf. »Darryl muss Unterstützung von dir bekommen haben.«
»Meinst du nicht, ich würde mir das Verdienst anheften, wenn ich könnte?«
»Er ist zu jung.«
»Aber blitzgescheit.«
» Was hattest du vor – ihn gegen Hammell aufbringen?«
»Kann sein.«
»Alles ein bisschen aufmischen?«
»Darin bist du selbst auch ganz gut – kein Wunder, dass sich die von der Inneren für dich interessieren. An unse ren kleinen Zusammenkünften hat das aber nichts geändert, oder? Ich schätze mal, du würdest dich sonst langweilen.«
»Ach ja?«
Cafferty nickte. »Sag mal«, meinte er und stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Der Streit zwischen Hammell und dem Mädchen – hast du eine Ahnung, worum’s da ging?«
»Ich weiß sogar ganz genau, worum es ging.«
»Aber du sagst es mir nicht.«
»Nein – und Ormiston brauchst du gar nicht erst zu fragen, ich kann dir nämlich versichern, dass er’s nicht weiß.«
Die beiden Männer taxierten sich gegenseitig. Hätten sie ein Schachbrett zwischen sich gehabt, hätten sie sich vielleicht auf ein Unentschieden geeinigt – ein weiteres Unentschieden in einer langen Reihe. Cafferty trank aus und stand auf. »Noch eins?«, fragte er und ging zur Bar, ohne die Antwort abzuwarten. Nachdem er für beide bestellt hatte, hörte er, wie hinter ihm die Tür aufgerissen und wieder zugeschlagen wurde. Als er sich umdrehte, war Rebus weg, hatte sein halb volles Glas und das Foto von der Beerdigung zurückgelassen.
Irgendwo in einem Wald …
Ganz egal …
Im Wald …
Wieder zu Hause wählte Rebus die einzige Telefonnummer, die er von Frank Hammell hatte. Es klingelte und klingelte, keiner ging dran. Er kippte sich den letzten Rest aus der Whiskyflasche in den Mund und schluckte. Dann stellte er sich ans Wohnzimmerfenster, der Ausblick war unverändert. Die beiden Kinder in der Wohnung gegenüber saßen im Schneidersitz auf dem Teppichboden und sahen fern. Er fragte sich, was das Leben wohl für sie bereithielt. Vielleicht die Abwesenheit eines Elternteils? College oder Arbeit direkt nach der Schule? Arbeitslosigkeit? Würden sie die wahre Liebe finden? Und dann zur künstlichen Befruchtung in der Klinik landen, die letzte Chance? Vielleicht würden sie selbst Eltern werden, sich Sorgen um die Zukunft machen und wünschen, sie könnten sehen, was sie bereithielt. Sein Handy klingelte, Hammells Name tauchte auf dem Display auf. Rebus zögerte, dann beschloss er dranzugehen.
»Ich glaube, wir sollten uns treffen«, sagte er.
» Warum?« Die Stimme klang trocken und hohl.
» Weil ich von der Sache zwischen Ihnen und Darryl erfahren habe.«
»Ich will den Namen dieses kleinen Arschlochs nie wieder hören!«
»Vielleicht müssen Sie das«, behauptete Rebus ruhig. »Aber ich glaube, es könnte sich lohnen.«
»Ich verpfeife niemanden, Rebus.«
»Das verlange ich auch nicht von Ihnen.
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