Maedchengrab
ich zum ersten Mal.«
»Ich wollte, dass Sie’s wissen.«
Hammell starrte Rebus an, seine Augen verengten sich. » Warum?«
» Weil Sie wahrscheinlich längst eine Liste Ihrer Feinde erstellt haben, von denen Sie glauben, dass sie Annette in ihrer Gewalt haben könnten.«
» Wie kommen Sie darauf, dass ich Feinde habe?«
» Wegen der Branche, in der Sie tätig sind. Da gibt es wohl ein gewisses Berufsrisiko.«
»Sie denken, ich hab’s auf Ihren alten Freund Cafferty abgesehen? Geht es darum – Sie wollen ihm den Arsch retten?«
» Wenn Sie Cafferty ans Leder wollen, sind Sie herzlich eingeladen, aber ich glaube, Sie würden einen Fehler machen.« Rebus stellte sein halb leeres Glas ab. » Wie geht es Annettes Mutter?«
» Was meinen Sie wohl? Es zerreißt sie. Glauben Sie wirklich, da draußen ist ein krankes Arschloch, das so was schon mal getan hat? Wie kann es sein, dass er unter dem Radar geblieben ist?«
»Bislang ist das nur eine Theorie …«
»Eine, an die Sie glauben?«
»Eine Theorie«, wiederholte Rebus. »Aber Sie sollten sie als Möglichkeit im Kopf behalten, damit es nicht zu hässlich wird.«
»Na schön.«
» Wie lange arbeitet Darryl schon für Sie?«
»Schon seitdem er noch auf der Schule war.«
»Mir ist aufgefallen, dass er den Namen seines Vaters behalten hat.«
Hammell funkelte Rebus böse an. »Der Junge kann machen, was er will – das ist ein freies Land.«
»Ich nehme an, der Vater weiß von Annette?«
»Natürlich.«
»Sie kennen die Familie schon eine Weile.«
» Was geht Sie das an?«
Rebus zuckte mit den Schultern und beobachtete Hammell beim Denken.
»Kann ich Ihnen in irgendeiner Weise entgegenkommen?«, fragte Frank Hammell schließlich. Rebus schüttelte den Kopf. »Ein bisschen Bargeld vielleicht? Eine Kiste Schnaps?«
Rebus tat, als würde er es sich überlegen. »Vielleicht berechnen Sie mir einfach nichts für die Pizza.«
» Wie kommen Sie darauf, dass ich sie überhaupt bezahlen musste?«, schnaubte Hammell.
16
Siobhan Clarke wohnte in einer Wohnung mit hohen Decken im ersten Stock eines georgianischen Reihenhauses in einer Seitenstraße der Broughton Street. Morgens brauchte sie nur fünf Minuten zu Fuß zur Arbeit, und ihr gefiel die Mischung aus Bars und Restaurants in der Gegend. Oben auf dem Hügel gab es ein Multiplexkino, nicht weit entfernt einen Veranstaltungsort für Konzerte, und im Leith Walk fand sich jeder Laden, den man sich erträumen konnte. Hinter dem Haus hing eine gemeinschaftliche Wäscheleine, und im Lauf der Jahre hatte Clarke die meisten ihrer Nachbarn persönlich kennengelernt. Edinburgh stand in dem Ruf, kalt und unnahbar zu sein, aber das war nie ihr Eindruck gewesen. Einige Einwoh ner waren schüchtern oder verschwiegen, wollten einfach ohne größeres Aufhebens und ohne Zwischenfälle ihr Leben leben. Ihre Nachbarn wussten, dass sie Polizistin war, hatten sie aber noch nie um Hilfe oder um einen Gefallen gebeten. Als in eine der Wohnungen im Erdgeschoss eingebrochen wurde, gaben sich alle große Mühe, Clarke zu verstehen zu geben, dass sie ihr keine Vorwürfe machten, obwohl der oder die Täter nie gefasst wurden.
Heute hatte sie über einen abendlichen Besuch im Fitnesscenter nachgedacht und sich sogar schon umgezogen, sich dann aber doch aufs Sofa geworfen und stattdessen die Fernsehzeitung durchgeblättert. Als ihr Handy piepte, weil sie eine Nachricht empfangen hatte, beschloss sie, diese zu ignorieren.
Dann läutete es an der Tür. Sie ging in den Flur und drückte auf die Taste der Sprechanlage.
»Ja?«, fragte sie.
» DI Clarke? Hier ist Malcolm Fox.«
Clarke sog Luft durch die Zähne. » Woher wissen Sie, wo ich wohne, oder ist das eine blöde Frage?«
»Darf ich reinkommen?«
»Nein, dürfen Sie nicht.«
»Aus einem bestimmten Grund?«
»Ich erwarte jemanden.«
»Möglicherweise DCI Page?«
Verdammt, die von der Inneren wussten aber auch wirklich alles …
»Haben Sie etwas zu verbergen, DI Clarke?«, fragte Fox.
»Ich mag mein Privatleben.«
»Ja, ich auch. Nach unserer zufälligen Begegnung neulich ging ich davon aus, dass Sie unsere kleine Unterhaltung vertraulich behandeln würden.«
»Dann hätten Sie das sagen sollen.«
»Ich kann verstehen, dass John Rebus ein alter und guter Freund ist. Wahrscheinlich haben Sie keine Bedenken, ihm Informationen anzuvertrauen.« Obwohl zwei Türen, siebzehn Steinstufen und ein Durchgang zwischen ihnen lagen, hatte sie das Gefühl, als wäre sein Mund
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