Maedchengrab
»Körperverletzung.«
»Und jetzt haben Sie ihn vernommen und wieder gehen lassen?«
» Wir haben seine Unterkunft durchsucht und nichts gefunden, das ihn mit Annette in Verbindung bringt.«
Hammell wirkte nachdenklich. » Wie soll ich eigentlich von ihm erfahren haben?«
»Gerüchte im Netz.«
»Das einzige Netz, das mich interessiert, ist das der gegnerischen Mannschaft in Tynecastle.« Er hielt inne. »Ich hab die Nachrichten gesehen … Die Fotos von den anderen Frauen. Und das Bild, das Annette geschickt hat … Kann ich Gail irgendwas sagen, irgendwas, das ihre Stimmung hebt?«
» Wir haben jede Menge Hinweise bekommen. Morgen oder übermorgen werden wir prüfen, was in die engere Auswahl kommt.«
»Aber niemand hat Annette gesehen? Ihr Bild kursiert jetzt überall …«
Rebus sagte nichts. Hammell stand auf, ging an seinen Schreibtisch, zog eine Schublade auf und holte eine Flasche Wodka hervor.
»Auch einen?«
Als Rebus den Kopf schüttelte, nahm Hammell ein Glas aus der Schublade und schenke sich gut zwei Zentimeter ein.
» Wie geht es Annettes Mutter?«, fragte Rebus.
» Was glauben Sie wohl?«
Es wurde nicht angeklopft. Die Tür ging einfach auf, und ein junger Mann, den Rebus als Darryl Christie wiedererkannte, stand im Türrahmen. Als er sah, dass Hammell Besuch hatte, nuschelte er eine Entschuldigung.
»Ihr beide solltet euch kennenlernen«, sagte Hammell und machte dem jungen Mann Zeichen einzutreten. Rebus nahm an, Christie würde es zu schätzen wissen, wenn er sich erhob.
» Wir haben telefoniert«, erklärte er und streckte seine Hand aus. »Ich bin John Rebus.«
»Geht’s um Annette?«
»Nur ein Zwischenbericht«, versicherte ihm Hammell. »Mach dir keine Sorgen.«
Christies Handy summte, und er las die Nachricht auf dem Display. Er war ein durchaus gut aussehender Junge, und sein maßgeschneiderter Anzug schien brandneu zu sein. Eine interessante Kleiderwahl. Der Anzug gehörte zur Welt der Erwachsenen, der Welt der ernst zu nehmenden Geschäfte. Hammell kleidete sich nachlässig, weil er es sich leisten konnte: Niemand würde ihn aufgrund seiner Klamotten falsch einschätzen. Darryl musste sich dagegen schon mehr anstrengen. In Jeans bestand immer die Möglichkeit, dass er irrtümlich für einen Niemand gehalten wurde.
» Was habe ich da über Fotos gehört?«, fragte Christie.
»Ihre Schwester hat eins verschickt«, erklärte Rebus. »Oder zumindest wurde es von ihrem Handy verschickt. Dasselbe ist vor einigen Jahren bei einem anderen Vermisstenfall geschehen. Im Moment ist das so ziemlich der einzige Anhaltspunkt, den wir haben.«
»Und einen getürmten Verdächtigen«, unterbrach ihn Hammell. » Wir haben ihn nicht zufällig in den Keller gesperrt, oder, Darryl?«
»Nicht dass ich wüsste.« Christies Handy summte erneut, eine weitere Nachricht.
»Immer diese Scheiß- SMS «, meckerte Hammell. »Den Jungen kann man ins Theater oder in die besten Restaurants einladen, egal, er guckt kaum vom Display auf.«
»So werden heutzutage nun mal Geschäfte gemacht«, murmelte Christie, während seine Fingerspitzen über den Touchscreen fuhren.
Hammell zog die Nase kraus und begegnete Rebus’ Blick. »Menschen wie Sie und ich verhandeln lieber von Angesicht zu Angesicht. Früher gab’s nichts anderes. Sie hätten mich heute Abend ja auch anrufen können, aber Sie sind lieber persönlich gekommen.« Er nickte anerkennend. »Sicher, dass Sie keinen Drink wollen?«
»Nein danke«, sagte Rebus.
»Aber mir kannst du einen anbieten«, merkte Darryl Christie an.
»Dann muss ich dich heute Abend wieder ins Taxi setzen.«
Christie ignorierte die Bemerkung und winkte mit dem Handy in Richtung seines Arbeitgebers. »Muss mich hier um was kümmern«, sagte er, drehte sich um und verließ den Raum.
»Nicht mal mehr ein ›Auf Wiedersehen‹ ist man heutzutage wert.« Hammell schüttelte den Kopf in gespielter Verzweiflung. »Ist aber ein guter Junge.«
» Wie lange kennen Sie seine Mutter?«
»Haben Sie mich das nicht schon mal gefragt?«
»Ich kann mich nicht erinnern, dass Sie geantwortet hätten.«
»Vielleicht weil Sie das nichts angeht.«
»In meiner Branche zählt jedes Detail. Kannten Sie Darryls Vater?«
»Derek war ein Freund.« Hammell zuckte mit den Schultern.
»Ist irgendwas dran an dem Gerücht, dass Sie ihn aus der Stadt vertrieben haben?«
»Kommt das von Ihnen oder von Ihrem Kumpel Cafferty?«
»Ich hab Ihnen schon mal gesagt, dass er nicht mein Kumpel
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