Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maedchenjagd

Maedchenjagd

Titel: Maedchenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Taylor Rosenberg
Vom Netzwerk:
strömten ihm über das Gesicht, und er wischte sie mit dem Handrücken fort. »Würden sie den Bastard schnappen, wenn wir Anzeige erstatten?«
    »Woher, zum Teufel, soll ich das wissen, John? Niemand kann das wissen. Wir wissen nicht einmal, wie sein Auto aussieht.« Lily verfluchte sich, dass sie nicht hinterhergerannt war, sondern bei Shana geblieben war. »Vielleicht machen wir einen Fehler, wenn wir es nicht der Polizei melden. O Gott, ich weiß es einfach nicht.« In Lilys Kopf herrschte Chaos. Etwas in ihrem Inneren verknotete sich und sank in die Tiefe. Sie musste irgendwie die Aufnahme zurückspulen und löschen. Johns Stimme kam aus der Ferne.
    »Ich will Shana mit nach Hause nehmen, sie von hier wegbringen.« Seine Stimme war ein ersticktes Flüstern. »Ich will mich um mein Kind kümmern.«
    »Ich weiß«, sagte sie. »Aber sie ist unser Kind, nicht nur deines. Glaubst du etwa, dass ich mich nicht um sie kümmern will? Ich will nicht, dass sie leidet. Ich konnte nichts dagegen tun. Ich habe es versucht. Aber jetzt kann ich etwas tun. Ich habe ihr ein Beruhigungsmittel gegeben. Nimm sie und bring sie nach Hause. Ich packe eine Tasche und komme nach.«
    Nachdem sie Shana in eine Decke gewickelt hatten, führte John sie zur Tür. Shana drehte sich um und suchte Lilys Augen. »Geh nach Hause und leg dich schlafen. Daddy wird auf dem Boden neben dir liegen.« Lily umarmte sie. »Morgen früh, wenn du aufwachst, werde ich da sein.«
    »Wird er wiederkommen?«
    »Nein, Shana, er kommt niemals wieder. Ich werde morgen ausziehen. Wir kommen nie mehr hierher zurück. Mit der Zeit werden wir beide diese Nacht vergessen.«
    Kaum dass sie weg waren, begann Lily eine kleine Reisetasche zu packen. Im Haus herrschte erneut Totenstille, jene unheilvolle Ruhe. Wieder und wieder tauchte das Gesicht des Angreifers vor ihrem inneren Auge auf, so, wie sie ihn kurz vor seiner Flucht gesehen hatte, und jedes Mal hielt sie inne, stand in Gedanken erstarrt da und versuchte auszumachen, was sie mit seinem Gesicht verband. Plötzlich tauchte das Gesicht auf, aber nicht so, wie sie es gesehen hatte, sondern auf einem Fahndungsfoto.
    Sie rannte ins Wohnzimmer, wobei sie über ihren Bademantel stolperte, der von Shanas Erbrochenem nass war und stank. Sie sah ihre Aktentasche und kroch auf allen vieren hin. Ihre Finger zitterten, als sie an dem Zahlenschloss drehte. Erst beim dritten Versuch öffnete sich das Schloss mit einem Klicken. Sie warf alle Akten auf den Boden und suchte nach der einen, die das Foto enthielt. Papiere flatterten über den Teppich.
    Nun hielt sie das Polizeifoto in der Hand. Es war der Mann, der die Prostituierte vergewaltigt hatte, der Fall, den Silverstein an diesem Tag abgewiesen hatte. Auf dem Foto grinste er selbstgefällig. Sie mussten ihn zum selben Zeitpunkt entlassen haben, als sie das Gebäude verlassen hatte. Offensichtlich hatten sie ihm seine Kleider mit dem Rest seiner Sachen zurückgegeben, denn er trug das gleiche rote Sweatshirt und ein goldenes Kruzifix. Er musste ihr vom Gericht aus gefolgt sein. Schnell blätterte sie durch die Seiten der Akte, bis sie den Polizeibericht fand.
    Sie hatte nicht den kleinsten Zweifel, als sie das verhasste Gesicht auf dem Foto studierte. Es gab keinen Zweifel. Er war es.
    Ihr Atem ging schnell, er stockte und rasselte in ihrer Kehle. Die Wirkung des Valiums war längst verflogen. Durch ihre Adern pumpte das Adrenalin. Hastig blätterte sie durch den Polizeibericht. Da war sie – seine Adresse.
254
 South Third Street in Oxnard. Sein Name war Bobby Hernandez, und er war zwar hispanoamerikanischer Abstammung, hatte aber als Geburtsort Fresno angegeben. Lily riss die Adresse aus dem Bericht und steckte das Papier in die Tasche ihres Bademantels. Sie ging ins Schlafzimmer, zog sich eine Jeans und einen Pullover an und steckte die Adresse in die Hosentasche. Aus ihrem Kleiderschrank kramte sie die gefütterten Winterwanderstiefel und eine blaue Strickmütze. Sie setzte sie auf und stopfte die Haare darunter.
    Hinter einem Stapel Kartons in der Garage war das Jagdgewehr ihres Vaters, eine Browning Kaliber
12
, Halbautomatik, mit der er Wild gejagt hatte. Als sie in der Garage nach dem Gewehrlauf griff, spürte Lily in der Stille plötzlich seine Gegenwart und hörte seine Stimme. »Volltreffer, Mädchen«, sagte er an den Samstagnachmittagen, wenn er sie mitgenommen hatte, um Dosen von einem Baumstumpf zu schießen.
    Sie entdeckte den kleinen Karton mit der

Weitere Kostenlose Bücher