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Maedchenjagd

Maedchenjagd

Titel: Maedchenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Taylor Rosenberg
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grünen Munition und hörte wieder seine Stimme neben sich, ganz deutlich und klar. »Das sind Flintenlaufgeschosse, Lily.« Sie lud sie in das Patronenlager und stopfte sich einige mehr in die enge Jeanstasche. »Damit schießt du ein Loch, das groß genug ist, um eine Katze durchzuscheuchen.«
    Sie verließ die Garage, die Gewehrmündung nach unten gerichtet, und ihre Schritte hallten laut in ihren Ohren, selbst als sie nicht mehr auf dem Betonboden, sondern auf dem Teppich war. Sie fühlte sich schwer, am Boden verankert, voller Entschlossenheit. Sie schien sich in einer anderen Dimension zu bewegen und war nicht allein in ihrem Körper. Das schrille Telefonklingeln war ein unwillkommener Eindringling, aber auch das Startsignal. Es war John.
    »Shana schläft. Ich mach mir Sorgen um dich. Kommst du bald?«
    »Ich komme in ein paar Stunden. Mach dir keine Sorgen. Ich kann jetzt ohnehin nicht schlafen. Ich will ein bisschen zur Ruhe kommen, mich baden. Er wird heute Nacht bestimmt nicht noch einmal kommen. Kümmer du dich nur um Shana.« Tu das, was du am besten kannst, dachte sie ohne Vorwurf und nahm ihre Rolle an. Und ich werde tun, was zu tun ist.
    Sie war dabei, die Haustür abzusperren, als ihr etwas einfiel und sie noch einmal in die Küche zurückkehrte. Sie kramte in den Schubladen, bis sie einen schwarzen Filzstift fand, mit dem sie die Umzugskisten beschriftet hatte. Sie schob ihn in die Tasche und verließ das Haus.
    Der Mond schien hell, die Nacht war klar. Eine Straßenlaterne hinterließ Lichterhalbmonde auf den gepflegten Rasen der Vorgärten. Sie bückte sich hinter das Auto und bemalte das Nummernschild. Aus FPO
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machte sie EBO
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. Es war nur eine kleine Veränderung, aber mehr war nicht drin. Sie warf das Gewehr auf den Rücksitz, überlegte kurz, ob sie es abdecken sollte, und entschied dann, dass es gleichgültig war. Wie ein unsichtbares Inferno wütete der Zorn und brannte alles um sie herum nieder. Sie konnte nicht aufhören, daran zu denken, wie er sich über Shana gebeugt hatte, das Messer an ihrem Bauchnabel, der schwere Körper auf ihrem kostbaren Kind.
    Sie fuhr Richtung Oxnard. Auf den Straßen war alles ruhig. Sie kurbelte das Fenster herunter, und die Nachtluft blies ihr ins Gesicht. Der Geruch nach Dünger, der ihr bei den Farmen, die Oxnard umgaben, entgegenschlug, erinnerte sie an seinen ranzigen Körpergeruch. Sie schmeckte seinen abscheulichen Penis im Mund und spuckte aus dem Fenster. Ihre Mundwinkel brannten von den winzigen, scharfen Schnitten des Messers. Sie musste sich zwingen, den Gedanken daran, wo dieses Messer gewesen war, und an die trockene Kruste, die sie im Mund gespürt hatte, zu verdrängen, damit sie sich nicht erbrach.
    Langsam fuhr sie durch die dunklen Straßen, passierte eine Straßenlaterne nach der anderen, ein Stoppschild und dann wieder eine Ampel, die erst grün, dann gelb, dann wieder grün wurde. Sie erschienen ihr wie die Pistenbefeuerung auf dem Sinkflug in die Hölle. Hin und wieder kamen ihr Autos entgegen. Darin saßen Paare, die von einer Party heimkehrten, von Verabredungen oder aus einer Bar, Liebhaber, die aus einem Bett krochen, um in ein anderes zurückzukehren.
    In ihrem Kopf entstand ein Plan. Sie brauchte nicht lange, um das Haus zu finden. Es lag an einer großen Durchgangsstraße in Oxnard, und sie musste einfach nur den Hausnummern folgen. Der Stadtteil hieß Colonia und war ihr als Nest von Drogengeschäften und Kriminalität bekannt. Sein Haus gehörte zu einer Reihe kleiner stuckverzierter Gebäude. Gegenüber war ein freies Grundstück. Der Vorgarten war von vertrocknetem Unkraut überwuchert, und in der Auffahrt standen ein staubiger schwarzer Plymouth und ein Ford Pick-up. Für die mutmaßliche Vergewaltigung und Entführung war ein Lieferwagen verwendet worden, doch da war kein Lieferwagen.
    Sie inspizierte die Gegend wie eine Einbrecherin, registrierte, dass sich die nächste Straßenlaterne erst an der nächsten Ecke befand. Zwar war sie mit einer festen Absicht hergekommen, die geladene Flinte auf dem Rücksitz, doch sie hatte keinen genauen Plan. Es war klar, dass sie nicht in das Haus eindringen und ihn dort erschießen konnte. Das wäre Selbstmord. Zudem wusste sie nicht, ob er tatsächlich zu Hause war. Es gab nur eine Möglichkeit: Sie musste warten, bis er herauskam. Das mochte bis Tagesanbruch dauern, wenn Dutzende Menschen auf den Straßen unterwegs waren. In manchen dieser Häuser lebten fünf oder sechs

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