Maedchenlose
freilich die Trübsal früh im Leben, aber Gottes Güte kann alles zum Besten lenken und uns nach dieser Trennung ein glückliches Wiedersehen bereiten.«
Eine lange Pause entstand, endlich fragte Nora mit halb erstickter Stimme: »Und wo soll ich inzwischen bleiben?«
»Du wirst morgen an deine Tante in Z. schreiben und sie bitten, dich für einige Monate bei sich aufzunehmen; bis ihre Antwort eintrifft, findest du vielleicht bei Mansfelds eine Zuflucht. Ich muß dich verlassen, Nora, ehe diese Sache geordnet ist, ich muß ganz auf deine Umsicht, dein verständiges Wesen vertrauen. Du mußt es mit einem Schlage lernen, auf eigenen Füßen zu stehen und für dich selbst zu sorgen. Etwas Geld lasse ich dirzurück, verwalte es mit gewissenhafter Klugheit und benimm dich in jeder Lage deines Lebens so, daß ich meine Tochter mit Freuden an mein Herz schließen kann, wenn ich mit dem Vater zurückkehre. Willst du das?«
»Ich will es,« antwortete Nora feierlich, »Gott gebe mir Kraft dazu.«
»Gott schütze dich, mein teures Kind; – und nun laß uns einpacken und die Ruhe suchen, denn meine Kräfte sind erschöpft, und ich habe schwere Tage vor mir.«
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Elly saß mit ihren Eltern am Frühstückstisch und erzählte ihrem Vater von der gelungenen Partie des gestrigen Tages, als ihr ein Briefchen gebracht wurde. »Von Nora,« sagte sie überrascht, riß es auf und überflog die wenigen Zeilen, die es enthielt; dann sank das Lockenköpfchen tief herab, und sie fing an zu weinen. »Was ist geschehen, Elly?« fragte ihre Mutter.
»Meine arme, arme Nora,« schluchzte Elly, »ihr Vater liegt schwer krank in England – ihre Mutter ist heute abgereist – sie ist ganz ganz allein zu Hause – und bittet um Erlaubnis, ein paar Tage bei uns zu bleiben, – bis sie Nachricht von ihrer Tante hat.«
»Das arme Ding!« sagte der Oberst mitleidig, ebenso sehr gerührt durch den Kummer seiner Tochter, als durch das Leid ihrer Freundin. »Schicke doch gleich hinüber, Adelheid, und laß die Kleine holen, damit sie sich in der einsamen Wohnung nicht ganz verlassen fühle.«
Elly warf ihm einen dankbaren Blick zu. »Darf ich selbst gehen? und – und – o Mama« – sie faltete ihre Hände und sah mit einem flehenden Blick zu jener auf – »darf ich ihr nicht anbieten, so lange bei uns zu bleiben, bis ihre Eltern zurückkehren? ich weiß, daß sie ihre Tante kaum kennt, und ich könnte es schwer ertragen, mich auf so lange Zeit von Nora zu trennen.«
Frau von Mansfeld sah unschlüssig aus und antwortete nicht; ihr Mann aber sagte: »Das ließe sich ja auch wohl einrichten, nicht wahr, Adelheid?«
»Machen läßt es sich schon,« war die Antwort, »doch bin ich nicht sicher, ob eine solche Einladung zum Besten des jungen Mädchens dienen würde. Man fürchtet allgemein, daß ein Bankerott der Diethelmschen Handlung unvermeidlich sei; dann würde für Nora in kurzem die Notwendigkeit entstehen, sich selbst ihr Brot zu erwerben und eine Stelle anzunehmen. Ob nun ein längerer Aufenthalt in unserm Hause, wo ich sie Elly doch ganz gleich stellen müßte, eine richtige Vorbereitung für solche Zukunft ist, möchte ich bezweifeln.«
»Ich sollte meinen,« entgegnete der Oberst, »daß eine sorgenfreie Gegenwart immer ein Gewinn ist, wie sich auch die Zukunft gestalten möge, und daß die Erinnerung an empfangene Liebe unter allen Umständen nur heilsam sein kann.«
»O du lieber, alter, einzig guter Papa,« rief Elly und flog dem Oberst mit einer so stürmischen Bewegung um den Hals, daß ihr Stuhl krachend hinter ihr zu Boden fiel,»wie gütig bist du immer und wie unmenschlich lieb habe ich dich!«
»Elly, wann wirst du endlich begreifen, daß diese ungezügelten Aufwallungen sich für ein erwachsenes Mädchen nicht schicken?« sagte Frau v. Mansfeld in strafendem Ton. »Du erdrückst ja deinen Vater beinahe mit deinen Umarmungen; auch die Zärtlichkeit muß Form und Maß zu halten wissen.«
»Nun, liebe Adelheid«, versetzte der Oberst, »ihrem Vater gegenüber laß sie nur das unbefangene, warmherzige Kind bleiben, sonst mache aus ihr eine so feine Weltdame, wie es dir beliebt. Ich muß an meine Arbeit, adieu, meine Damen.«
Er strich noch einmal liebevoll über Ellys glühende Wangen und verließ das Zimmer. Etwas beschämt hob diese den Stuhl auf und brachte die Serviette in Ordnung, die sie vorhin arg zugerichtet hatte; dann küßte sie ihrer Mutter Hand mit einem bittenden Blick: »Verzeih, Mama, ich will mich besser
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