Maengelexemplar
Auge auf mich.
»Das denkt ihr Frauen immer, dass nur die Richtige kommen muss.«
»Und ihr Männer denkt immer, dass wir Frauen uns sofort in euch verlieben. Haben wir kein Recht, das selbst herauszufinden?«, frage ich, überzeugt davon, mich nicht zu verlieben. Ich bin höchstens verknallt.
Ich unterscheide drei Stufen: verknallt sein, verliebt sein, lieben.
»Ihr bescheißt euch aber immer. Ihr tut aus Selbstschutz so lange so, als wärt ihr nur verknallt, bis es zu spät ist. Dann bin ich der Arsch, der nicht rechtzeitig erkannt hat, dass alles in eine Richtung läuft, die ich nicht gehen will.«
David ist gar nicht mehr lustig. Er scheint frustriert von seinen Erfahrungen. Und seine Erfahrungen frustrieren mich auch. Ich möchte nicht schon am Anfang des Films wissen, dass Bruce Willis selbst auch tot und unsichtbar ist. Jeder hat ein Recht darauf, das Ende zu entdecken und nicht schon serviert zu bekommen. Das ist doch das Aufregende am Leben. Das Risiko. Nicht zu wissen, ob man am Ende gewinnt oder nicht. Ich weiß doch selbst noch gar nicht, wie ich David finden möchte. Ob ich mich wirklich verlieben werde, ob wir gut passen. Und Davids Voraussage nimmt mir die schöne Aufregung, es herauszufinden. Und wertet mich ab. Macht mich vorhersehbar.
»Du und ich, wir werden vermutlich kein Paar«, sagt er. »Sicher weiß ich das natürlich nicht, aber so läuft es eben immer mit mir«, versucht David seine Aussage abzumildern.
Aber ich bin ja nicht dumm. Nicht
so
dumm.
»Ich möchte einfach nicht, dass die Mädchen, mit denen ich etwas habe, so tief fallen. Deshalb beende ich Sachen rechtzeitig, bevor jemand wirklich Schaden nimmt.«
Ich denke darüber nach. Wir laufen weiter Hand in Hand, aber ich sollte loslassen. Er hat Recht. Ich sollte meine kurzen Beine in die Hand nehmen und rennen, was das Zeug hält. Das hier wird nicht gut für mich. Auf der anderen Seite tut es aber so gut! Es schließt die Tür zu Philipp. Ich plädiere für Mut: »Ich weiß, dass ich tief fallen könnte. Aber das ist es mir wert. Dafür steige ich ja auch hoch hinauf. Ich zahle das, was es mir wert ist, verstehst du? So verläuft ein aufregendes Leben. Sicher passiert einem nicht viel, wenn man risikofrei lebt. Aber man bekommt auch nichts. Und ich finde, ich habe das Recht, etwas zu erleben, wenn ich bereit bin, dafür auch zu zahlen.«
Wir kommen nicht zueinander bei dem Thema. Es ist natürlich auch viel zu früh, darüber überhaupt zu diskutieren. Denn ich weiß wirklich noch nicht, was ich will. Aber ich kann es auch nicht ertragen, dass mir die Entscheidung abgenommen wird.
Wir setzen uns in mein Auto, David streichelt mir über den Kopf, gibt mir einen Kuss, und wir hören laut Musik.
»Komm, wir gehen was essen!«, schlägt er vor, als ich grade vorschlagen will, ihn nach Hause zu bringen. Meine Erwartungen reichen aus Vorsicht nur noch für das aktuelle Event. Und das Event Museum ist durch. Natürlich nicke ich eifrig und freue mich. Nur noch dieses eine Event, sage ich der Erwartung mit erhobenem Zeigefinger. Danach ist aber Schluss! Schließlich hat dieser junge Herr nicht vor, sich in mich zu verlieben!
Wir essen in einem Steakhaus. Wir sind einander immer noch nah. Wir halten Hände, und auf dem Weg zum Restaurant hängt David meine Handtasche an ein Straßenschild, sodass ich lachen und auf und ab hüpfen muss. Beim Essen reden wir wieder viel über uns, unsere Köpfe, Depressionen, Angst und Therapien. Wir haben bemerkt, dass viele unserer Freunde ähnliche Probleme haben. Allein mir fallen mindestens fünf Freunde oder Bekannte ein, die unter Angststörungen oder depressiven Schüben leiden und nichts dagegen unternehmen. Sie ertragen alles demütig. Keiner geht zur Therapie oder lässt sich Medikamente verschreiben. Alle glauben, dass man einfach hindurch muss. Stimmt aber nicht. »Sie müssen nicht durch die Hölle gehen, Frau Herrmann«, höre ich Frau Dr. Kleve sagen. Und sie wird es wissen, sie ist Psychiaterin.
Mir schwirrt langsam der Kopf. Gespräche über das Seelenheil sind wie eine Zeitschleife. Sie sind unendlich. Die Psyche ist so viel komplizierter als eine schöne glatte Fraktur des Schädels. Eine kranke Seele ist nicht so gut erforscht wie ein Herzinfarkt, eine Fettleber oder ein Raucherbein. Es gibt zu viele Ansätze, Meinungen und Therapien. Der Heilungsweg ist oft langwierig. Man kann nicht einfach amputieren oder gesünder essen.
Meine Gedanken über mich und mein Inneres
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