Maengelexemplar
danke, Alkohol verträgt sich nicht besonders gut mit meinen Antidepressiva«, erwidere ich. »Außerdem muss ich für die Tombola nüchtern bleiben«, schiebe ich hinterher, falls er schlau genug war, die als Witz getarnte Wahrheit zu entlarven.
»Ich trink auch nur ein Wasser«, sagt David fröhlich, »meine Tabletten vertragen nämlich auch nichts.«
So ist das mit Witzen, die nie aufgeklärt werden. Man weiß nie so recht, woran man ist. Ich liebe das!
Irgendwann wird es Zeit zu gehen. Nelson ist inzwischen zu lustig getrunken, um noch Arbeitsgespräche zu führen, und ich hatte zu viel Spaß mit David, um noch eine Steigerung erwarten zu können. Also tauschen wir Nummern und verabreden eine Verabredung. Ein Date. Zum Kino. »Du wirst dich vermutlich in mich verlieben und fürchterlich unglücklich werden«, sagt David noch fröhlich. Und ich sage: »Ja, vermutlich.«
Kaum bin ich zu Hause angekommen, erhalte ich eine SMS von David: »O.K., O.K. ICH GEBE AUF UND M EL DE MICH ALS ERSTER !« Ich freue mich und antworte: » PUH . UND ICH DACHTE SCHON , DU WÜRDEST DICH NIE MEHR MELDEN !« Dann schalte ich mein Telefon ab und ziehe mich aus. Weil ich mir dabei sehr aufregend vorkomme, behalte ich nur die hohen Schuhe an und rauche noch eine Gute-Nacht-Zigarette. Ich freue mich über mich und den Abend. Mein erster Ausgehabend
danach
war ein Erfolg. Ich hatte Spaß, und ich habe David kennengelernt.
Trotzdem kenne ich mich zu gut, um ein aufkommendes Kribbeln nicht falsch zu interpretieren: Die Möglichkeit, mich zu verknallen, macht mich ganz verknallt.
Ich sehe Licht durch den Türspalt, der mich vom normalen Leben trennt.
Ich erfühle die nächste Stufe auf der Treppe Hoffnung.
Hoffentlich stolpere ich nicht auf dem
stairway to heaven
.
Ich gehe schlafen, denn meine Metaphern werden schwül.
David und ich wollen uns sehen. Noch vor der verabredeten Verabredung. Also treffen wir uns zum Essen. Es ist schwierig, außerhalb des Fernsehstudios miteinander zu sein. Ein Restaurant ist eben doch nur ein Restaurant und kein Esszimmer-Set. Wir sitzen einander gegenüber und sind ein wenig steif. Ich möchte sehr gerne, dass wir wieder Jack und Bob sind, aber wenn wir jetzt damit anfangen, kommen wir da für den Rest des Abends nicht mehr raus. Also müssen wir die Erwachsenen sein und reden. Über uns.
»Sollen wir kurz unsere Biographien abklappern? Dann haben wir diesen Teil schon mal hinter uns?«, fragt David.
Er erzählt mir angenehm zusammengefasst von seinem Job (irgendwas mit Fernsehen, ich höre nicht so genau zu) und von seiner Familie (Vater, Mutter, zwei Schwestern). Ich erzähle angenehm zusammengefasst von meinem Job, meiner Familie und meinen Kopfproblemen. Bringt ja nichts, spätestens wenn wir zusammenziehen, wird er es eh erfahren.
»Welche Tabletten nimmst du genau?«, fragt er nur.
»Citalopram«, sage ich.
»Ah. Ich auch. Also meine heißen Cipramil, ist aber derselbe Wirkstoff.«
Oh. Spätestens jetzt wäre es mehr als angebracht, David zu fragen, ob er sich Kinder mit mir vorstellen kann. Ich finde die Vorstellung, jeden Morgen zusammen die gleichen Kopftabletten zu nehmen, extrem romantisch.
»Weshalb nimmst du Antidepressiva?«, frage ich begeistert.
Er erzählt von Panikanfällen, einer schwierigen Beziehung zu einem doofen Mädchen und vom absurden Glauben an die eigene Unsterblichkeit. David hat eine Angststörung. Er hält sich für Supermann. Wie schön, dass ich nicht allein bin in der Zwischenwelt zwischen gesundem Alltag und psychiatrischer Anstalt. Anscheinend befinden sich viele Menschen
zwischen
Sodom und Gomorrha.
David ist nicht verrückt. Er ist normal. Nur mit Knacks on top. Eine kleine Macke als Accessoire quasi.
Wir sind durch mit den gröbsten Eckpunkten unserer Bio und verlassen das Restaurant. Wir wissen nicht so recht, wie weiter, daher schlage ich einen nächtlichen Ausflug ins Umland vor. See funktioniert immer. Also fahren wir und reden viel und durcheinander. Als wenn wir gar nicht schnell genug geben und nehmen können. Jeder will der Erste sein, wir unterbrechen uns und wechseln die Themen so rasant, dass wir gar nicht hinterherkommen.
Am See eingetroffen, merken wir, dass er nur das Ziel einer Reise war, auf der der Weg das eigentliche Ziel war. Wir sehen den See einmal an, und ich steige wieder ins Auto und tue so, als würde ich ohne David losfahren. Er lacht, und ich erkläre ihm meine Humorphilosophie. »Gute Witze müssen eigentlich bis
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