Maengelexemplar
zum bitteren Ende durchgezogen werden, nur dann sind sie wirklich gut.« David nickt zustimmend. Ich gehe ins Detail: »Das bedeutet, dass ich dich hier hätte stehen lassen müssen. Nicht nur hundert Meter weiterfahren, sondern einfach nach Hause ohne dich! Dann wäre es ein Knallerwitz gewesen!«
»Vollkommen richtig. Ich verspreche, ich wäre nicht sauer gewesen, wenn du es getan hättest. Der Witz wäre es vollkommen wert gewesen!«, sagt er und meint es.
»Hast du Lust, bei mir zu schlafen?«, frage ich. »Nicht mit mir, nur bei mir. Neben mir. Kein Sex, nur liegen und beieinander sein und, na ja, schlafen.«
David denkt nach. »Das schaffen wir im Leben nicht.«
Ich muss lächeln und sage: »Vielleicht. Aber ich hätte es wirklich gern so. Wir könnten es zu einer Art Voraussetzung machen. Kein Sex. Nur nebeneinander sein. Was sagst du?«
»O.k.«, sagt David.
»O.k.«, sage ich.
Es ist merkwürdig, mit einem neuen Menschen im Bett zu liegen. Mit einem neuen Geruch und einer neuen Wärme. Menschen sind unterschiedlich warm im Bett, habe ich herausgefunden. Es ist nicht so, dass der eine kälter ist als der andere, die
Art
der Wärme ist anders. Als wäre Wärme ein verschiedenfarbiges Licht. Was weiß ich, jedenfalls ist Davids Wärme anders als die von Philipp, und das gefällt mir gut.
David liegt neben mir, und wir fühlen uns nicht verkrampft. Dass wir beide vorhaben, nicht miteinander zu schlafen, macht alles viel entspannter. Wir reden weiter und machen Witze und tauschen Vergangenheit aus und denken dabei nicht an die Geschlechtsteile des Gegenübers. Beziehungsweise des Nebeneinanders. Davids Hand liegt in meiner, wenn wir auf dem Rücken liegen, und wenn wir uns auf die Seite drehen, schieben wir unsere Körper ein bisschen aneinander. Wir geben und nehmen Worte und Körperwärme. Es ist schön, also schlafen wir nicht. Schlaf wäre Verschwendung von natürlichen Ressourcen. Wir reden weiter, damit wir Grund haben, weiterhin Wärme zu tauschen.
Wenn ich einnicke, fragt David sehr laut: »Und? Schläfst du schon?«, und ich muss lachen. Wenn David einnickt, fragt er: »Und? Schlafe ich schon?« Er will auch nichts verschwenden.
Als es anfängt, zu dämmern, fummelt David an meinem Notfall-Bergkristallring rum. »Was ist das?«, fragt er.
»Ein Ring, du Idiot.«
»Schon klar, aber weshalb ist der so groß wie dein Kopf?«
Ich erzähle die ganze Mamageschichte. Dabei werde ich von David gestreichelt. Am Arm und am Rücken und am Nacken, und plötzlich rutscht mir ein besonderes Atmen raus, und David streichelt weiter, und ich rede nur noch stockend, und David streichelt weiter, und ich rede gar nicht mehr, sondern atme nur noch. Niemand fragt scherzhaft, ob wir schon schlafen. Denn wir schlafen nicht. Wirklich nicht. Wir sprechen auch nicht darüber, dass wir grade Vorsätze brechen. Wir haben schließlich lange genug durchgehalten, uns kann jetzt wirklich keiner was. Wir küssen uns, und obwohl der Rhythmus nicht sofort passt, ist es gut. Alles ist schön, egal, ob es gut ist oder nicht. Ich werde angefasst und darf anfassen. Riechen und hören und kucken. Mir egal, dass ich nicht komme. Das hier ist mein erstes Mal. Nach Philipp, und vor allem
danach
. Nach meinem persönlichen elften September.
Als wir fertig sind, sind wir fertig. Ich so sehr, dass ich weine. Ich kenne das von mir. Vielleicht passiert das nur, weil alles so entspannt ist, dass auch der Tränenschließmuskel sich entspannt. Andererseits mache ich nach Sex ja auch nicht ins Bett. Für viele Männer ist das aber vergleichbar, glaube ich und schäme mich. Ich möchte ja eigentlich auch nicht, dass mein Geschlechtsverkehrpartner danach in Tränen ausbricht. Männern muss das eine Heidenangst machen. Sie denken dann sicher, dass sie einem körperlich wehgetan haben. Wer allerdings nicht schon während des Sex sagt, dass er Schmerzen hat, der hat es meiner Meinung nach auch verdient, danach zu heulen. Das ist es also nicht bei mir.
Und da David sich für Supermann hält, glaubt er auch nicht daran, mir wehgetan zu haben, und umarmt mich einfach. Der depressive Supermann versteht schon. Ich wünschte nur, ich würde auch verstehen.
Wir wachen auf, liegen noch ein wenig rum und tauschen Morgenbettwärme.
Sobald wir aufstehen, ist Bett-David wieder Tag-David. Er macht viele Witze, aber ich bin noch nicht so weit. Ich bin noch auf Bett-Level. Innen und außen ganz warm und weich. David sagt, dass meine Tätowierung am Bauch
Weitere Kostenlose Bücher