Maengelexemplar
einordnen. Sind wir ein Wir? Sind wir ein Manchmal? Ein Vielleicht? Oder ein Mal sehen? Männer hassen diese Fragen, also stelle ich sie nicht. Ich sinke einfach immer mehr in mich zusammen. David fragt nicht, was los ist, ich nehme an, er fürchtet sich vor der Antwort.
Als wir endlich fertig damit sind, Buchstaben hin und her zu schieben, sagt David: »Wenn du willst, kannst du hier schlafen.« Er klingt leidenschaftslos. Wie ein großer Bruder.
Weil ich nie weiß, wann es Zeit ist, aufzugeben und zu gehen, bleibe ich.
Wir schlafen nicht miteinander. Nur nebeneinander. Ich bin unlocker, mein Kopf ist verkrampft, ich fühle mich, als wenn ich in Stacheldraht festhängen würde. Schmallippig und winzig liege ich in der Ecke des Bettes und hoffe auf Trost oder Klärung. Oder Körperkontakt. David liegt auch rum und sieht fern. Es ist vertrackt, denn vermutlich müsste ich einfach nur etwas sagen, mitteilen, wie es mir geht. Aber ich will nicht nerven, nicht verliebt klingen. Also schlucke ich mich runter und schlafe ein.
David und ich verhaken uns immer mehr ineinander. Wir diskutieren dauernd über die Liebe und ob man für jemand anderen mitentscheiden darf. Wir sehen uns weiter halbwegs regelmäßig, aber es ist nicht mehr so wie am Anfang. Unsere Treffen werden immer komplizierter, erwartungsgeschwängerter und unbefriedigender. Vermutlich ist der Zeitpunkt gekommen, der uns schon laut trampelnd verfolgt hat. David hat sich seine eigene Verknalltheit angesehen und festgestellt, dass sie sich nicht in den schönen Schwan Verliebtheit verwandeln wird. Wir haben uns auch meine Verknalltheit angesehen und befürchten, dass sie den Sprung auf das nächste Level sehr wohl schaffen könnte. Findet David zumindest. Ich weiß es nicht. Ich weiß nichts mehr.
Davids Suche nach meinen Gefühlen und sein Verhältnis zu ihnen nimmt mir jegliches Gefühl für mich selbst. Ich bin immer nur damit beschäftigt, zu finden und gleichzeitig nicht zu zeigen, nicht zu bestätigen. Ich will ihn austricksen. Das Ende heimlich selber wählen. Aber eigentlich will ich einfach noch ein bisschen in David schwimmen. Keine Beziehung, nur angefasst werden, Sicherheit spüren. Nur ein bisschen noch. Bis ich wieder ganz bin, ja?
»Karo, nenne mir ein Beispiel, wo so was ohne Liebe funktioniert hat. Nur ein Beispiel für zwei Menschen, die ohne Gefühle einfach so ein bisschen miteinander ins Bett gehen!«
Ich weiß keins. Ich lüge, dass ich das sehr wohl schon so erlebt habe. Aber es stimmt nicht. Einer verliebt sich immer.
»Gut«, sage ich tapfer. »Wenn wir nicht mehr körperlich nah miteinander sein können, dann kann ich dich eine Weile lang nicht sehen.«
»Aber warum? Ich finde dich toll, ich rede gerne mit dir, ich verbringe gern Zeit mit dir!«
»David, du versuchst doch jetzt hier nicht
Freunde zu bleiben
?«
»Aber weshalb geht das nicht?«
»Weil es nicht das ist, was ich grade will. Ich möchte mehr. Ich weiß nicht, ob ich verliebt in dich bin, aber ich möchte diese Körperlichkeit, die wir noch vor ein paar Wochen hatten. Sie tut mir gut. Freunde habe ich genug. Ich habe dich nicht als Freund kennengelernt, also will ich dich auch nicht als Freund behalten!«
David wirkt ernsthaft traurig. Und fast glaube ich, dass er wirklich gern in mich verliebt wäre. Auf einmal wird mir klar, dass jeden Morgen die gleichen Antidepressiva zu nehmen vielleicht doch nicht das Romantischste ist, was ich mir vorstellen kann. Oder zumindest nicht das Beste, das mir zum jetzigen Zeitpunkt passieren kann. Ich kann ja kaum meine eigene Last tragen, wie soll ich denn da noch ein fremdes Gewicht auf meinem Gepäckträger transportieren? Vielleicht sollte der Mann meines Herzens gar nicht auf einem Pferd kommen, sondern für UPS arbeiten!
»Lass uns ein paar Wochen Pause machen, und dann spielen wir mal wieder ’ne Runde Scrabble und testen uns auf Freundschaft, ja?«, beende ich unseren aussichtslosen Kampf.
David murrt. Wir sitzen in meinem Auto vor seiner Haustür, und er geht einfach nicht. Wir sitzen nebeneinander und sagen nichts mehr. Wir hören Phil Collins im Radio und machen keine Witze darüber. Ich muss dringend pinkeln, und David nickt in der trägen Klimaanlagenhitze einfach ein. Und hält dabei meine Hand. Er will mich nicht gehen lassen, obwohl ich es ihm wie die weiße Flagge angeboten habe.
Nach einer halben Stunde sage ich: »David, du musst jetzt gehen. Es bringt nichts mehr, die Sache zu drehen und zu wenden. Ich
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