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Maenner fuers Leben

Maenner fuers Leben

Titel: Maenner fuers Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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irre.»
    Ich stellte meinen Eiscreme-Bottich auf ihre April-Nummer von Town & Country und marschierte hinüber zu meinem Rolltop-Schreibtisch in der Ecke unseres Wohnzimmers. Ich riss eine Schublade auf, zog einen braunen Umschlag mit Fotos heraus und knallte sie dramatisch auf unseren Couchtisch.
    Margot setzte sich auf das Sofa und blätterte die Bilder mit der unbeteiligten Miene durch, mit der man zwischen zwei geistlosen Runden Solitär die Karten mischt.
    «Ellen», sagte sie schließlich, «diese Bilder … Sie sind einfach nicht … so gut.»
    «Was soll das heißen, sie sind nicht so gut?» Ich sah ihr über die Schulter und schaute die Bilder von Leo an. Leo, wie er lachte. Leo mit nachdenklichem Gesicht. Leo, schlafend an einem Sonntagmorgen neben seinem Hund Jasper. Wehmütig betrachtete ich den missmutigen Boxer, den ich von Anfang an nicht besonders gemocht hatte.
    «Okay», sagte sie schließlich, als sie bei einem Foto von Leo angekommen war, das ich im Sommer zuvor gemacht hatte. Er trug Shorts und ein T-Shirt mit dem «Atari»-Logo und saß auf einer Bank im Central Park. Er schaute direkt in die Kamera. Schaute mich an. Nur seine Augen lächelten.
    «Nimm das hier zum Beispiel», sagte sie. «Das Licht ist gut. Ganz nette Komposition, nehme ich an, aber es ist … einfach irgendwie langweilig. Er sieht gut aus und alles, aber was soll’s? Hier ist nichts weiter zu sehen als ein halbwegs attraktiver Typ auf einer Bank. Es ist … er strengt sich viel zu sehr an.»
    Ich schnappte nach Luft, zumindest innerlich. Diese Bemerkung war vielleicht noch schlimmer als die mit dem liebeskranken Teenager. «Er strengt sich zu sehr an?» Jetzt war ich wirklich stinksauer.
    «Ich sage ja nicht, dass du dich anstrengst», erklärte sie. «Aber er. Sieh dir sein Gesicht an … Es ist gekünstelt, selbstgefällig, narzisstisch. Er weiß, dass er fotografiert wird. Er weiß, dass er angebetet wird. ‹Siehst du meinen erotischen Blick?› Im Ernst, Ellen. Ich finde dieses Foto grauenhaft. Jedes einzelne Foto, das du in dem Jahr vor Leo gemacht hast, ist interessanter als das hier.»
    Sie warf das Foto auf den Couchtisch, und es landete mit der Bildseite nach oben. Ich schaute es an, und fast, fast , konnte ich sehen, was sie meinte. Mich durchzuckte so etwas Ähnliches wie Scham, wie in dem Moment, als ich meine peinlichen Haikus aus der Highschool wieder hervorholte (sie handelten von der Brandung in New Jersey) und noch einmal las. Ich hatte diese Haikus damals stolz an eine literarische Zeitschrift geschickt und war aufrichtig verdattert gewesen, als der Brief mit der Ablehnung kam.
    Margot und ich starrten einander an, sehr lange, wie mir schien. Wahrscheinlich war es einer der stärksten und ehrlichsten Augenblicke unserer Freundschaft, und in diesem Augenblick liebte und verabscheute ich sie zugleich. Schließlich brach sie das Schweigen.
    «Ich weiß, dass es weh tut, Ellen … Aber es wird Zeit, dass du nach vorn schaust.» Energisch schob sie den Stapel Fotos zusammen und packte ihn in den Umschlag. Anscheinend war ihr Leo den Aufwand nicht mehr wert, sein Gesicht entzweizureißen.
    «Und wie soll ich das machen?», fragte ich leise. Es war keine rhetorische Frage. Ich wollte wirklich wissen, wie ich technisch bewerkstelligen sollte, was ich als Nächstes zu tun hatte.
    Sie dachte eine Sekunde lang nach und gab mir dann ihre Anweisungen. «Heute Abend hängst du im Jogginganzug vor dem Fernseher ab. Morgen stehst du auf und duschst lange und ausgiebig. Du föhnst dir das Haar, schminkst dich ein bisschen. Und dann holst du deine Kamera heraus und fängst wieder an. Er kommt nicht zurück. Also lebe dein Leben … Es wird Zeit.»
    Ich sah sie an und wusste, dass sie recht hatte. Ich wusste, dass ich in meinem Leben wieder mal an einem Scheideweg stand und dass ich wieder mal Margots Rat befolgen musste. Und dass ich wieder anfangen musste, zu fotografieren.
    Also kaufte ich mir sofort am nächsten Tag eine neue Kamera – die beste, die ich mir mit meinem kläglichen Kredit leisten konnte – und schrieb mich in einen Grundkurs am New York Institute of Photography ein. Im Laufe des nächsten Jahres lernte ich alles über das Handwerkszeug, angefangen bei Objektiven und Filtern bis hin zu Blitzlichtern, Wolframlampen und Stroboskopen. Ich vertiefte mich in die Details von Blende und Belichtungszeit, Filmmaterial und ISO-Parametern, Weißausgleich und Histogrammen. Ich studierte die Theorien über

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