Maenner fuers Leben
einer Story arbeiten, wurde ich schon wieder unruhig.
«Heute ist Neujahr», jammerte ich und verachtete mich selbst für den Klang meiner Stimme.
«Abgabetermine habe ich trotzdem», sagte er ungerührt.
Ich sah ihn an, und mir war schwindlig vor Verbitterung und Verzweiflung. Dann öffnete ich den Mund und sprach die berüchtigten Worte.
«Es funktioniert nicht», sagte ich, allein aus taktischen Gründen, als Versuchsballon, ein Sondieren der Grenzen, eine neue Strategie, um ihn an mich zu binden. «Ich glaube, wir sollten uns trennen.»
Ich erwartete Widerstand, Gegenwehr, zumindest eine Diskussion. Aber stattdessen stimmte Leo mir sofort zu. Er sprach zärtlich, beinahe liebevoll, und das war schlimmer als jede wütende Reaktion. Er legte die Arme um mich, und seine Erleichterung war fast mit Händen zu greifen.
Mir blieb nichts anderes übrig, als mitzuspielen. Schließlich hatte ich es ja selbst vorgeschlagen.
«Mach’s gut, Leo.» Ich fühlte mich nicht so tapfer, wie es sich anhörte.
«Mach’s gut, Ellen.» Leo tat wenigstens so, als sei er traurig.
Ich zögerte, aber ich wusste, es gab kein Zurück. Also verließ ich die Wohnung, entsetzt und ungläubig, und leistete mir ein Taxi, statt mit der U-Bahn nach Hause zu fahren.
Zu Hause saß Margot im Wohnzimmer und las eine Illustrierte. «Alles okay?», fragte sie.
Das wüsste ich noch nicht, sagte ich.
«Was ist passiert?»
«Wir haben uns getrennt.»
Ich wollte noch mehr sagen, ihr all die blutrünstigen Details schildern, aber ich spürte, wie ich abschaltete, abwehrend und verschlossen wurde.
«Das tut mir leid», sagte sie. «Willst du darüber reden?»
Ich schüttelte den Kopf. «Ich weiß nicht … Es ist wirklich … kompliziert.»
Und es fühlte sich tatsächlich kompliziert an, wie jede Trennung, wenn man mittendrin steckt. Die grausame Wahrheit ist, dass es meistens ganz einfach ist. Es geht ungefähr so: Der eine entliebt sich – oder erkennt einfach, dass er nie wirklich verliebt war . Er wünscht, er könnte diese Worte zurücknehmen, dieses Versprechen aus tiefstem Herzen. Rückblickend sehe ich, dass es bei Leo und mir wahrscheinlich so war; die einfachste Erklärung ist oft die richtige, hat meine Mutter immer gesagt. Aber damals glaubte ich nicht daran.
Stattdessen hoffte ich, was jede Frau in meiner Situation hofft: dass er es sich anders überlegen würde, dass er zur Besinnung kommen und erkennen würde, was er an mir hatte, und dass ich unersetzlich sei. Immer wieder dachte ich – und sagte es laut zu Margot und meiner Schwester –: «Niemand wird ihn lieben, wie ich ihn liebe.» Heute weiß ich, dass das für einen Mann alles andere als ein Verkaufsargument ist. Für niemanden eigentlich.
Was noch schlimmer war, mir wollte dieser furchtbare Spruch nicht aus dem Kopf: «Wenn du etwas liebst, lass es frei.» Ich sah die laminierte Poster-Version vor mir, die meine Schwester sich nach einer besonders verheerenden Highschool-Trennung ins Zimmer gehängt hatte. Die Worte waren in violetten Buchstaben geschrieben, in einer Beileidskartenschrift, und dazu sah man einen Adler, der über einem Bergpanorama emporstieg. Ich weiß noch, dass ich dachte, kein Adler der Welt werde freiwillig zurück in die Gefangenschaft fliegen.
«Verdammt richtig: Er hat dir nie gehört», hatte ich Suzanne immer sagen wollen.
Aber jetzt – jetzt war Leo dieser Adler. Und ich war sicher, dass er die Ausnahme von dieser Regel sein würde. Der eine Vogel, der eben doch zurückkam.
Also wartete ich stoisch und klammerte mich verzweifelt an die Hoffnung, dass es nur eine Trennung auf Probe sei. Es ist unglaublich, aber wahr: Nach dieser Trennung waren meine Gefühle noch intensiver. Als wir zusammen waren, war ich von Leo besessen gewesen – jetzt war ich krank vor Liebe. Er füllte jede Minute meines Tages aus, und ich wurde zum wandelnden Klischee einer Frau mit gebrochenem Herzen. Ich hörte mir seine alten Nachrichten auf dem Anrufbeantworter an und traurige, bittere Liebeslieder, zum Beispiel «The Last Day of Our Acquaintance» von Sinéad O’Connor. Ich suhlte mich in Selbstmitleid und brach in völlig unpassenden Augenblicken in Tränen aus. Ich schrieb ihm lange Briefe, schrieb sie immer wieder um und wusste, dass ich sie niemals abschicken würde. Ich vernachlässigte mein Äußeres (abgesehen von ausgiebigem Trübsalblasen bei Kerzenschein in der Badewanne), und abwechselnd aß ich überhaupt nichts und stopfte mich dann
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