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Maenner fuers Leben

Maenner fuers Leben

Titel: Maenner fuers Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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beiläufig zu mir. Wenn sie mir solche Perlen der Weisheit zukommen ließ, hatte ich immer das Gefühl, ich sollte sie in ein Notizbuch schreiben, damit ich sie später einmal nachschlagen könnte.
    Aber in dem Haus voll schöner und behaglicher Zimmer war die Küche wahrscheinlich mein liebster Raum. Ich war entzückt von den karamellfarbenen Wänden, den schiefernen Arbeitsplatten und den schweren Kupfertöpfen und -pfannen, die an Haken über der Kochinsel hingen. Ich war bezaubert von dem Panoramafenster zur hinteren Terrasse und dem steingemauerten Kamin, vor dem sich alle versammelten. Es war eine geräumige, helle Küche, wie man sie aus Filmen kennt: eine Küche für eine große, glückliche Familie mit einer starken, aber traditionsverbundenen Mutter am Steuer, einem gutaussehenden, liebevollen Vater, einer eleganten Tochter und zwei herzensguten Söhnen, die ab und zu hereinschauten, mit einem Holzlöffel aus den Töpfen naschten, die auf dem riesigen Viking-Herd dampften, und die Kochkünste ihrer lieben Mom – oder der lieben Haushälterin – lobten. Alles an dieser Küche war perfekt, genau wie die Familie, die hier lebte.
    Das waren meine Gedanken, als ich die Hände in heißes Spülwasser tauchte und zwei Silberlöffel herausfischte. Ich dachte daran, was für ein Glück ich hatte, hier sein zu dürfen. Genau so musste Thanksgiving sein – vielleicht abgesehen davon, dass es draußen fast fünfzehn Grad waren.
    Meine eigene Familie hatte mich in diesem Jahr enttäuscht, was aber seit dem Tod meiner Mutter nichts Ungewöhnliches mehr war. Mein Vater hatte sich ein paar Jahre lang bemüht, unsere Traditionen fortzusetzen, aber Sharon hatte das geändert – nicht aus böser Absicht, sondern weil sie eigene Kinder und eigene Gewohnheiten hatte. In diesem Jahr waren sie und mein Vater nach Cleveland gefahren, um Sharons Sohn Josh zu besuchen. Dessen Frau, Leslie, war Cheerleader an der Ohio State gewesen, eine Tatsache, auf die Sharon über die Maßen und unangemessen stolz zu sein schien. So blieben Suzanne und ich uns selbst überlassen, und obwohl ich meine Zweifel daran hatte, dass zwei ledige Schwestern, die beide nicht gut kochen konnten, ein zufriedenstellendes Thanksgiving zuwege bringen würden – ein Fest, das sich hauptsächlich ums Essen drehte –, war ich bereit gewesen, einen Versuch zu wagen. Aber Suzanne nicht. Sie gab mir zu verstehen, sie werde «das Fest dieses Jahr ausfallen lassen». Ich wusste nicht genau, was das hieß, aber ich kannte ihre Launen und wusste, dass es unmöglich gewesen wäre, ihr ein traditionelles Thanksgiving aufzuzwingen. Deshalb war ich mehr als dankbar, als Margot mich einlud, mit ihr nach Hause zu fliegen.
    Das erzählte ich auch Andy, als er sich nach meiner Familie erkundigte, aber ich bemühte mich, nicht verbittert zu klingen und meinem Vater und meiner Schwester gegenüber loyal zu bleiben. Und schon gar nicht wollte ich aussehen wie Margots bemitleidenswerte, arme Freundin.
    Andy, der sich eben eine blaue Rüschenschürze umgebunden hatte – was eher komisch als zweckmäßig war –, hörte aufmerksam zu und sagte dann: «Na, ich bin sehr froh, dass du hier bist. Je mehr Leute, desto besser, sage ich immer.»
    Ich lächelte. Das sagten viele, aber die Grahams glaubten es wirklich, und an diesem Tag war bis dahin mindestens ein halbes Dutzend Freunde vorbeigekommen, um hallo zu sagen, darunter auch Margots Highschool-Boyfriend Ty, der die berühmten pastellfarbenen Kekse von Henri’s mitgebracht hatte, einer traditionsreichen Bäckerei in Atlanta. Margot bestritt es zwar, aber Ty war ganz offensichtlich immer noch verliebt in sie. Zumindest war er vernarrt in ihre Familie. Und das konnte ich gut verstehen.
    «Weißt du», sagte ich zu Andy, «die wenigsten Familien sind so.»
    «Sind wie?»
    «So gut», sagte ich. «So glücklich .»
    «Wir haben dir was vorgemacht», sagte Andy. «Das ist alles nur Fassade.»
    Einen Augenblick lang war ich beunruhigt, beinahe desillusioniert. Gab es ein dunkles Familiengeheimnis, von dem ich nichts wusste? Irgendwelche Misshandlungen? Betrug? Oder, schlimmer noch, eine knappe, hoffnungslose Diagnose wie die, die für meine Familie alles geändert hatte? Dann sah ich Andys vergnügten Gesichtsausdruck und war zutiefst erleichtert. Mein Bild der Grahams als unverschämt wohlhabende und gesunde Familie durfte intakt bleiben.
    «Nein. Es geht uns gut … Nur James hat Schwierigkeiten.» Der jüngere Bruder war das

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