Maenner fuers Leben
Komposition, Farbe, Aufteilung und Rahmen, aber auch die Drittel-Regel (die ich instinktiv längst kannte, glaube ich). Vom Entwickeln verstand ich schon eine Menge, aber jetzt konnte ich meine Technik an besseren Geräten erproben. Ich absolvierte einen Porträtkurs und lernte alles über Beleuchtung und Positionierung. Ich studierte Produktfotografie, Foodfotografie, Architekturfotografie, Landschaftsfotografie, sogar Sportfotografie. Ich vertiefte mich in die Digitalfotografie, erlernte den Umgang mit Adobe Photoshop und die Sprache der Megapixel und Speicherchips (was zu jener Zeit das Allerneueste auf dem Markt war). Ich belegte sogar einen Kurs in Marketing und Betriebswirtschaft für Fotografen.
Mit jeder Woche, jeder neuen Technik, die ich erlernte, jedem Foto, das ich machte, fühlte ich mich ein wenig besser. Zum Teil lag es einfach daran, dass die Zeit verging, was ja bekanntlich immer eine große Hilfe ist, wenn man Liebeskummer hat. Aber zudem war es so, dass die eine, destruktive Leidenschaft nach und nach durch eine andere, sehr produktive ersetzt wurde. Dass mir einmal das Herz gebrochen wurde, macht mich zwar nicht zu einer Expertin auf diesem Gebiet, aber ich glaube doch, man braucht beides – Zeit und einen emotionalen Ersatz –, um wieder ganz gesund zu werden.
Dann, ungefähr neun Monate nach der Trennung von Leo, fühlte ich mich – handwerklich und emotional – bereit, meine Mappe vorzulegen und mich um einen echten Assistentinnenjob zu bewerben. Durch den Freund eines Freundes erfuhr ich, dass ein kommerziell arbeitender Fotograf namens Frank Brightman einen zweiten Assistenten suchte. Frank arbeitete hauptsächlich in der Mode- und Werbebranche, aber gelegentlich machte er auch journalistische Fotos. Er hatte einen ausgeprägt cinematographischen Stil, der sehr realistisch wirkte und den ich bewunderte. Ich konnte mir durchaus vorstellen, ihn eines Tages nachzuahmen, natürlich mit meiner eigenen Note.
Bevor ich Angst vor der eigenen Courage bekam, rief ich Frank an, um zu fragen, ob die Stelle noch frei sei, und er lud mich zu einem Gespräch in sein kleines Atelier in Chelsea ein. Frank beeindruckte mich, und zugleich war ich in seiner Gegenwart völlig entspannt. Er hatte wunderschönes silbergraues Haar, war perfekt angezogen und von einnehmender Freundlichkeit. Sein etwas effeminiertes Auftreten ließ vermuten, er sei schwul – was ich, die ich aus einer Arbeiterstadt kam und auf einem konservativen Südstaaten-College gewesen war, zu jener Zeit aufregend und irgendwie glamourös fand.
Ich sah zu, wie Frank seinen Cappuccino trank und die Kunstledermappe mit meinen Amateurfotos anschaute. Er murmelte ab und zu beifällig. Dann klappte er die Mappe zu, sah mir in die Augen und sagte, er sehe wohl, dass meine Arbeiten vielversprechend seien, aber er wolle nichts beschönigen: Er habe bereits eine Assistentin, und was er hauptsächlich brauche, sei eine Hilfskraft, die Rechnungen bezahlte, Kaffee kochte und oft einfach nur herumstand. «Eine äußerst glanzlose Tätigkeit», endete er.
«Aber ich kann das», sagte ich ernsthaft. «Ich war mal Kellnerin. Ich kann gut rumstehen. Und Bestellungen aufnehmen.»
Frank erzählte ungerührt, er habe in kürzester Zeit vier zweite Assistenten eingestellt: sie alle hätten bessere Referenzen als ich gehabt, aber sie seien faul und unzuverlässig gewesen, jede Einzelne. Dann machte er eine kurze Pause und sagte, er sehe mir an, dass ich anders sei.
«Sie haben etwas Aufrichtiges an sich», fuhr er fort. «Und mir gefällt, dass Sie aus Pittsburgh sind. Eine gute, ehrliche Stadt, Pittsburgh.»
Ich dankte ihm und lächelte eifrig.
Frank lächelte zurück. «Sie haben den Job. Seien Sie nur jeden Tag pünktlich hier, und wir werden uns prima verstehen.»
Und das tat ich. In den nächsten zwei Jahren war ich jeden Tag da. Bereitwillig und nur zu gern folgte ich den Anweisungen von Frank und seiner Assistentin, einer schrulligen älteren Frau namens Marguerite. Frank und Marguerite waren die kreativen Genies, und ich erledigte in aller Stille die Arbeit im Hintergrund. Ich schloss die Versicherungen für größere Shootings ab und bestellte manchmal sogar die Polizei. Ich kümmerte mich um das gemietete Equipment und stellte nach Franks präzisen Anweisungen Schweinwerfer und Stroboskope auf, und an vielen Tagen fing ich schon vor dem Morgengrauen mit der Arbeit an. Ich legte die Filme ein (gegen Ende sagte Frank, er habe noch nie jemanden
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