Maenner fuers Leben
liebenswerte schwarze Schaf der Familie. James wohnte zurzeit im Gästehaus im Garten; er hatte gerade wieder einen Job verloren – er hatte schon mehr «grauenvolle Chefs» als irgendjemand sonst im Leben gehabt – und vor kurzem mindestens den dritten schicken Wagen zu Schrott gefahren. Aber selbst James’ Mätzchen fand ich eher charmant, ein liebenswerter Chaot, und die übrige Familie schüttelte nur nachsichtig den Kopf.
Andy und ich schwiegen eine Weile. Gelegentlich berührten sich unsere Arme, wie wir so nebeneinander an der Spüle standen. Schließlich fragte er wie aus heiterem Himmel: «Hörst du eigentlich noch von diesem Typen, mit dem du zusammen warst? Leo hieß er, oder?»
Mein Herz machte einen Satz. Ich hatte noch am Morgen an Leo gedacht und mich gefragt, ob er wohl bei seiner Familie in Queens war oder ob er das Fest ausfallen ließ wie Suzanne. Ich konnte mir vorstellen, dass er es hielt wie sie, zumal er wahrscheinlich wie immer irgendeine Deadline einzuhalten hatte. An Leo zu denken, war eine Sache. Von ihm zu sprechen, eine ganz andere. Ich atmete tief durch und wählte meine Worte sorgfältig. Mir war, als gäbe ich etwas zu Protokoll. Ich wollte wahrheitsgemäß antworten, aber ich wollte auch stark erscheinen. «Nein», sagte ich schließlich. «Es war ein glatter Schnitt.»
Das war ein bisschen übertrieben, wenn ich an meine Trauerperiode zurückdachte, aber ich sagte mir, für Leo war es ein glatter Schnitt gewesen. Außerdem, wenn man nach einer endgültigen Trennung nicht ein einziges Mal von sich hören ließ, war es doch wirklich eine saubere Angelegenheit, oder? Ganz gleich, wie man sich fühlte. Ich dachte an das eine Mal, als ich Leo beinahe angerufen hätte. Das war kurz nach dem elften September gewesen, höchstens eine Woche danach, und das ganze Land – und die Stadt erst recht – waren erschüttert von Trauer und Angst. Ich wusste, dass Leos Büro und seine Wohnung weit weg vom World Trade Center waren und dass er nur selten einen Anlass hatte, ins Bankenviertel zu gehen. Trotzdem … Es gab an jenem Tag so viele verrückte Geschichten – Geschichten über Leute, die an Orten gewesen waren, wo sie sonst niemals hingingen –, und ich malte mir schon das Schlimmste aus. Außerdem, argumentierte ich Margot gegenüber, bekam ich zahllose Anrufe von alten Freunden und sogar von flüchtigen Bekannten, die wissen wollten, wie es mir ging. War das nicht eine Frage des Mitgefühls und des Anstands? Es mochte ja sein, dass ich mit Verbitterung an Leo dachte, aber ich wollte doch, dass er noch lebte . Bei Margot kam ich mit diesen vernünftigen Gedanken nicht weiter. Sie überzeugte mich davon, dass ich unter keinen Umständen Kontakt mit Leo aufnehmen dürfe, und das gelang ihr mit einem schlichten, unwiderlegbaren Argument: «Er ruft dich auch nicht an, um sich nach dir zu erkundigen, oder?»
Ich gab noch ein bisschen Spülmittel ins fließende Wasser, und der Zitronenduft stieg mir in die Nase. Andy nickte. «Ein glatter Schnitt ist immer gut.»
Ich brummte zustimmend. «Ja. Ich hab’s nie wirklich verstanden, wenn Leute immer noch dicke Freunde mit ihren Verflossenen sind.»
«Ich weiß», sagte Andy. «Wenn jemand das Flämmchen nicht ausgehen lässt …»
«Wie Ty.» Ich musste lachen.
« Ge-nau », sagte Andy. «Ich meine, komm schon, Mann, lass es endlich sein.»
Ich lachte und dachte, ich hatte es mit Leo auch irgendwann sein lassen. Nicht, dass ich die Wahl gehabt hätte.
«Und jetzt?», fragte Andy plötzlich geradeheraus. «Hast du wieder jemanden?»
Ich schüttelte den Kopf. «Nein, eigentlich nicht. Gelegentlich mal ein Date hier und da – meistens durch Margot. Ich glaube, sie hat mich inzwischen mit jedem unverheirateten Hetero in der Modebranche mal zusammengebracht. Aber nichts Ernstes … Und du?»
Ich stellte diese Frage, obwohl ich die Antwort eigentlich kannte: Nach einer kurzen Affäre mit einer Off-Broadway-Schauspielerin namens Felicia war er wieder solo. Margot kannte nur wenige Einzelheiten – nur, dass sie sich getrennt hatten –, aber sie war ziemlich sicher, dass es von Andy ausgegangen war. Anscheinend war Felicia zu wartungsintensiv gewesen – eine Drama Queen , auch wenn sie nicht auf der Bühne stand.
Andy bestätigte es mir mit einem fröhlichen «Solo», während ich ihm ein Kristallglas reichte.
Er sah mich mit einem schiefen Lächeln an, und plötzlich fragte ich mich, ob er etwa mehr im Sinn hatte, als mir beim
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