Maenner fuers Leben
aber sie weiß nicht genau, wie sie das machen soll.
Und sie ist stur genug, um ihre kleine Schwester niemals um Rat zu fragen. Nicht, dass ich wüsste, was ich sagen soll. Vince, den Suzanne in einem Verkehrsstau kennengelernt hat, wo sie ihre Telefonnummern ausgetauscht haben, ist unzuverlässig, will sich nicht binden und hat früher einmal mit einer Stripperin namens Honey zusammengelebt. Aber zufällig ist er auch warmherzig und witzig und der Mittelpunkt auf jeder Party. Und was das Wichtigste ist: Suzanne liebt ihn wirklich. Deshalb habe ich mir angewöhnt, ihr einfach zuzuhören – oder zu lachen, wenn es angemessen ist, wie ich es jetzt tue, als sie mir in allen Einzelheiten erzählt, wie Vince ihr am Valentinstag, unmittelbar nach dem Sex, ein nichtverpacktes Etui mit einem Ring überreicht hat. Da ich Vince kenne, bin ich ziemlich sicher, dass ich schon weiß, wie die Geschichte weitergeht.
«O nein», stöhne ich und fange wieder an, meine Wäsche zu sortieren.
«O doch », sagt Suzanne. «Und ich denke: Kommt überhaupt nicht in Frage. Sag mir bitte, dass ich nicht sechs Jahre auf einen kitschigen Heiratsantrag am Valentinstag gewartet habe. Und dann auch noch im Bett. Und, lieber Gott, wenn es ein herzförmiger Stein ist? Aber gleichzeitig denke ich: ‹Nimm, was du kriegst, Schwester. In der Not frisst der Teufel Fliegen.›»
«Und was war es?», frage ich gespannt.
«Ein Granatring. Mein gottverdammter Geburtsstein .»
Ich muss laut lachen. Das ist so furchtbar – aber doch auch ein kleines bisschen süß. «Aah», sage ich. «Er hat sich bemüht.»
Suzanne ignoriert meinen Kommentar. «Interessiert sich irgendjemand, der älter ist als zehn Jahre, für seinen Geburtsstein? Weißt du überhaupt, welcher deiner ist?»
«Der Turmalin», sage ich.
«Na, das werde ich ganz bestimmt Andy sagen, damit er auch alles richtig macht. Er soll dir diese niedliche Hütte in Atlanta kaufen, und dazu einen Turmalin.» Suzanne lacht ihr typisches prustendes Lachen, das sich fast anhört, als bekäme sie keine Luft mehr, und ich denke, nur ihr Humor bewahrt sie davor, dass ihr Leben wirklich deprimierend wird. Der und die Tatsache, dass sie trotz ihres raubeinigen Auftretens ein sehr empfindsames Herz hat. Sie könnte verbittert sein, wie es viele ledige Frauen sind, die vergebens auf einen Ring warten, aber sie ist es einfach nicht. Und obwohl ich glaube, dass sie mich manchmal um mein glückliches und leichteres Leben beneidet, bleibt sie doch eine wunderbare Schwester, die aufrichtig mein Bestes will.
Deshalb weiß ich, dass sie sich über mein Shooting mit Drake freuen wird, und ich brenne darauf, ihr davon zu erzählen. Sie liebt Drake genauso wie Andy, allerdings weniger wegen seiner Musik als vielmehr wegen seines politischen Aktivismus. Meine Schwester ist zwar kein ausgesprochener Hippie – Marihuana und Birkenstocks hat sie gleich nach ihrer Grateful-Dead-Phase auf dem College aufgegeben –, aber sie vertritt ihre Anliegen doch sehr leidenschaftlich, speziell in Bezug auf die Umwelt und die Armut der Dritten Welt. Und mit «leidenschaftlich» meine ich nicht, dass sie die üblichen Sprüche klopft. Suzanne hebt tatsächlich den Hintern hoch und tut etwas, damit sich etwas bewegt, und das ist ein ungewöhnlicher Kontrast zu der Trägheit, die sie in ihrem persönlichen Leben einschränkt. Als wir zur Highschool gingen, schaffte sie es zum Beispiel kaum, in den Unterricht zu gehen oder eine Durchschnittsnote C zu halten – trotz ihres genialen IQ, der um vierzehn Punkte höher lag als meiner, was wir wussten, weil wir in den Unterlagen unserer Eltern geschnüffelt hatten. Aber sie hatte durchaus genug Zeit und Energie, um in unserer Schule eine Amnesty-International-Sektion zu gründen und Rundbriefe zu schreiben, in denen sie die Verwaltung drängte, in der Cafeteria Recycling-Container aufzustellen – damals eine nie dagewesene Sache, zumindest in unserer Stadt.
Und auch heute scheint sie immer in irgendeine Weltverbesserungsmission verwickelt zu sein: Sie pflanzt Bäume in öffentlichen Parks und auf Friedhöfen, bombardiert die Abgeordneten mit eloquenten Briefen und war nach dem Hurrikan Katrina sogar in New Orleans, wo sie mit einer Hilfsorganisation zerstörte Wohnhäuser instand gesetzt hat. Wenn Suzanne über ihre Projekte redet, wünschte ich immer, ich wäre auch so motiviert, etwas zum Wohl der Allgemeinheit beizutragen, aber mein Aktivismus reicht gerade so weit, dass ich im
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