Maenner fuers Leben
schlägt vor, dass wir uns auf einen Drink in der Boulevard Lounge treffen.
Prima Idee, sage ich, meine Flugangstpillen waren nicht stark genug für die Unwetterturbulenzen, durch die wir in der Mitte des Kontinents geflogen sind, und ich könnte ein Glas Wein gebrauchen. Suzanne lacht und nennt mich ein Weichei, und ich lege auf und ziehe mir ein Outfit an, das nach meinem Gefühl passend für L.A. ist: dunkle Jeans, silberne Plateauschuhe, mit denen ich fast eins achtzig groß bin, und ein schlichtes, aber (für mich) schickes Tank Top aus limettengrüner Seide. Leider habe ich vergessen, den trägerlosen BH einzupacken, der dazugehört, aber ich finde, ich bin flachbrüstig genug, um mir leisten können, darauf zu verzichten, ohne billig auszusehen. Außerdem bin ich in Kalifornien, und hier geht alles. Ich frische mein Make-up auf, lege etwas mehr Lidschatten als sonst auf und gebe schließlich einen Spritzer Parfüm auf meine Handrücken – ein Trick, den Margot mir auf dem College beigebracht hat. Eine, die so viel mit den Händen redet wie ich, meinte sie, sollte sich den Vorteil zunutze machen und gleichzeitig ihren Duft verströmen.
Dann fahre ich mit dem Aufzug hinunter und schlendere dermaßen selbstbewusst durch die noble Lobby, dass ich beinahe wie ein Pfau ins Boulevard stolziere, in eine intime, moderne, sehr elegante Lounge in satten Bernstein-, Schokoladen- und Goldtönen. Ich bewundere die illuminierte Onyx-Bar und das von hinten beleuchtete große Weinregal mit mindestens tausend Flaschen, und zugleich bewundere ich unwillkürlich das kraftvolle Profil des Mannes, der allein an der Theke sitzt und ein Glas in der Hand hält. Eines Mannes, der schrecklich viel Ähnlichkeit mit Leo hat. Verdutzt kneife ich die Augen zusammen und erkenne erstaunt und beinahe entsetzt, dass er nicht nur aussieht wie Leo. Es ist Leo.
Schon wieder Leo. Leo, dreitausend Meilen weit weg von zu Hause.
Ich erstarre, und eine Sekunde lang bin ich tatsächlich naiv oder dämlich genug, um zu glauben, dass dies schon wieder ein Zufall ist. Die zweite Zufallsbegegnung mit Leo. Und in dieser Sekunde überkommt mich ein so lächerlich schändlicher Gedanke, dass mir das Herz stehenbleibt: Mein Gott, was ist, wenn dies das Schicksal ist, das mich quer durch das ganze Land verfolgt?
Aber als Leo zu mir herüberblickt, mich entdeckt und sein Glas in Augenhöhe hebt, begreife ich, was er da gedeichselt hat. Ich begreife, dass ich in eine Falle gelockt worden bin.
Ich verlagere mein Gewicht von einem Absatz auf den anderen, und er lässt seinen Drink langsam sinken – es sieht aus wie ein Whiskey on the rocks, sein Markenzeichen – und lächelt mir kurz und wissend zu.
Ich erwidere das Lächeln nicht, aber ich gehe die paar Schritte auf ihn zu. Ich stolziere nicht mehr, und bei den kalten Schauern, die mir über den Rücken laufen, bereue ich, dass ich keinen BH trage. Oder, noch besser, einen langen Mantel.
«Hallo, Leo», sage ich.
«Ellen.» Er nickt. «Freut mich, dass du es doch geschafft hast.»
Es klingt wie eine Zeile aus einem alten Hollywoodfilm, aber ich bin alles andere als bezaubert, selbst als er aufsteht und auf den Hocker neben ihm deutet.
Du bist nicht Cary Grant , denke ich, und ich schüttle den Kopf und setze mich nicht. Ich bin viel zu verdattert, um wütend zu sein, aber was ich empfinde, ist stärker als bloße Empörung.
«Du hast den weiten Weg hierher gemacht und willst dich nicht mal setzen?», fragt er.
Noch eine Filmzeile .
Leo hatte früher nie etwas für Sprüche übrig, und ich bin beinahe enttäuscht, dass er jetzt einen nach dem anderen loslässt. Ich habe zwar nichts zu schaffen mit dem Mann, der er in den letzten zehn Jahren geworden ist, aber aus irgendeinem Grund will ich trotzdem nicht, dass mein Bild von ihm durch Sprücheklopferei getrübt wird.
«Nein, vielen Dank», sage ich kühl. «Ich treffe mich hier mit meiner Schwester; sie wird jeden Augenblick kommen.»
«Suzanne?», sagt er mit einem selbstgefälligen Unterton.
Ich sehe ihn an. Bildet er sich tatsächlich ein, es beeindruckt mich, dass er ihren Namen noch weiß? Ich fühle mich versucht, die Namen seiner vier Geschwister in der Reihenfolge ihres Alters herunterzurattern – Clara, Thomas, Joseph, Paul –, aber ich habe keine Lust, ihm die Genugtuung zu gewähren, dass ich mich so detailliert an seine Familie erinnere.
Stattdessen sage ich: «Ja. Suzanne. Ich habe nur eine Schwester.»
«Stimmt», sagt er. «Na,
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