Maenner fuers Leben
in den Sinn – der Central Park an einem frischen Herbsttag, die Schlittschuhläufer auf der Rockefeller Plaza, ein Glas Wein in einem Straßencafé im schwindelerregenden Hochsommer –, und plötzlich denke ich mit Nostalgie an die Vergangenheit, ja, sogar an diesen Abend, an das Essen mit Andy, an die Erinnerung, die wir jetzt gerade erschaffen.
«Sag was.» Andy zupft an seinem Ohr, wie er es nur tut, wenn er beunruhigt ist – oder wenn ihm etwas wirklich wichtig ist. Es gab ein heftiges Ohrzupfen, als er mir seinen Heiratsantrag machte, und plötzlich denke ich, dass dieser Augenblick so viel anders nicht ist. Er fragt mich, wie ich zu einer großen Veränderung stehen würde. Zu einem Schritt, den wir gemeinsam unternehmen werden. Es ist nicht so verpflichtend wie eine Heirat, aber in vieler Hinsicht ist es eine noch größere Veränderung.
Ich greife nach Andys Hand und halte sie fest. Ich möchte ihm so gern Freude machen, aber ich will auch völlig ehrlich zu ihm sein. «Ich glaube, das könnte toll werden», sage ich, und es klingt weniger zögerlich, als mir zumute ist. Um die Wahrheit zu sagen, ich weiß gar nicht genau, wie mir zumute ist.
Andy nickt. «Ich weiß. Und glaub mir, ich will dich nicht in die Enge treiben. Aber … das hier wollte ich dir doch zeigen.»
Er lässt meine Hand los und zieht ein zusammengefaltetes Blatt aus der Innentasche seines Sportjacketts.
Ich nehme es und falte es auseinander, und ich sehe ein großes Fachwerkhaus aus Zedernholz und Backstein mit einer überdachten Vorderveranda, ähnlich wie die Häuserangebote, die Margot mir nach unserem letzten Besuch per E-Mail zugeschickt hat, in der Betreffzeile stand dann so etwas wie «Gleich nebenan!» oder «Perfekt für euch!».
Aber dieses Haus ist nicht von Margot, die ihre Zeit tagsüber vor dem Computer verbracht hat. Dieses Haus kommt von Andy beim Champagner im Bouley.
«Gefällt’s dir?», fragt er zögernd, und es ist völlig klar, welche Antwort er gern hören möchte.
«Natürlich!», sage ich und überfliege den Text unter dem Foto: fünf Schlafzimmer, viereinhalb Bäder, eingezäunter Garten, beheizter Swimmingpool, Glasveranda, ausgebauter Keller mit Tageslicht, Dreiergarage, Speisenaufzug über alle drei Geschosse.
Es gibt absolut nichts, was einem nicht gefallen könnte. Es ist ein Traumhaus in jeder Hinsicht – anders als alle Häuser in meiner Heimatstadt, anders als alles, was ich mir als Kind je hätte träumen lassen, als meine Mutter mir sagte, sie sei sicher, dass ich ein gutes Leben voll schöner Dinge und Menschen haben würde.
«Ich mache mir keine Sorgen um dich, Ellie», sagte sie dann und streichelte mir übers Haar. «Überhaupt keine.»
Das war eine Woche vor ihrem Tod; sie war gerade zum letzten Mal aus dem Krankenhaus gekommen, und ich weiß noch, wie ich ihre beruhigende Stimme hörte und mir mein Leben als Erwachsene vorstellte, mit Mann und Haus und Kindern – und wie ich mich fragte, ob irgendetwas davon jemals den Schmerz um den Verlust meiner Mutter würde heilen können.
Jetzt blicke ich von dem Blatt auf und sage: «Es ist schön, Andy. Wirklich wunderschön.»
«Und von innen ist es genauso schön.» Andy redet schnell. «Margot sagt, sie war drin … bei einem Flohmarkt für Kinderkleidung oder so was. Sie sagt, im Keller ist ein riesiger Werkstattraum, wo du dich einrichten könntest. Du brauchtest dann kein Büro mehr zu mieten. Du gehst einfach im Pyjama die Treppe hinunter … Und das Beste ist, es ist nur ungefähr hundert Meter von Margot und Webb entfernt. Ist das nicht irre?»
Ich nicke und versuche, das alles zu verdauen.
«Es ist wirklich perfekt», sagt Andy. «Perfekt für uns. Perfekt für die Familie, die wir haben wollen.»
Ich schaue wieder auf das Haus und sehe den Kaufpreis. «Scheiße», sage ich.
Über Geld reden Andy und ich nicht oft; das haben er und Margot gemeinsam, aber während seine Schwester anscheinend überhaupt keinen Gedanken an das Vermögen ihrer Familie verschwendet, wirkt Andy manchmal verlegen, fast schuldbewusst. Das beeinflusst manche seiner Entscheidungen – wie die, unser kleines Apartment anzumieten –, und oft vergesse ich einfach, wie reich er ist. «Du bist richtig reich, was?», sage ich lächelnd.
Andy schaut auf den Tisch und schüttelt den Kopf. Dann sieht er mir in die Augen und sagt ernst: « Wir sind reich … in mehr als einer Hinsicht.»
«Ich weiß», sage ich und genieße diesen Augenblick.
Wir
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