Maenner fuers Leben
rein und Leo für immer vergessen sein.
Aber obwohl ich mich nach besten Kräften und mit den reinsten Absichten bemühe, funktioniert es nicht ganz. Ich tue alles das, was zu einem Einzug gehört – ich stelle unsere gerahmten Fotos in die eingebauten Bücherregale rechts und links neben dem gemauerten Kamin, ich stöbere in den Gängen des Haushaltswarenmarkts nach Rubbermaid-Lagerboxen, ich brüte mit Margots Innenarchitektin über Stoffmustern für Vorhänge, oder ich pflanze weiße Kaladien in die großen Bronzekübel auf unserer Vorderveranda – aber bei all dem fühle ich mich unwohl und deplatziert.
Und schlimmer noch, ich werde das Gefühl nicht los, dass ich während dieses Nachtfluges wirklich ich selbst war – so wie ich es lange Zeit nicht gewesen bin. Ich denke immer wieder, dass es ein Fehler war, New York zu verlassen. Ein großer Fehler. Ein Fehler, der Ressentiments und gefährliche Risse hervorbringt. Ein Fehler, der dem Herzen weh tut. Ein Fehler, der dazu führt, dass man sich nach Alternativen umsieht, nach jemandem aus der Vergangenheit, nach jemand anders.
Andys Zufriedenheit grenzt an regelrechtes Wohlbehagen und geht mir desto mehr gegen den Strich. Nicht so sehr, weil geteiltes Leid halbes Leid wäre – obwohl auch das eine Rolle spielt –, sondern weil seine Fröhlichkeit bedeutet, dass unser Umzug endgültig ist und ich für immer in dieser Welt festsitze. In seiner Welt. Lebenslänglich verurteilt, im Stau zu stehen, weil man überallhin mit dem Auto fahren muss, selbst wenn man nur eine Tasse Kaffee trinken oder eine schnelle Maniküre haben will. Hier gibt es nur sterile Einkaufsmeilen, aber dafür keine spätabendlichen Imbiss-Lieferservices. Ich häufe wie besinnungslos irgendwelche glänzenden, unnötigen Besitztümer an, um die leeren Flächen unseres weitläufigen Hauses zu füllen. Ich schlafe in einer absoluten, verstörenden Stille ein – vorbei das beruhigende Summen der Großstadt. Die Sommer sind still und schwülheiß, und Andy wird an jedem Wochenende zum Golf oder Tennis verschwinden, und die Hoffnung auf eine weiße Weihnacht kann ich jetzt schon begraben. Meine Nachbarinnen sind sacharinsüß, blond und blauäugig, sie spielen Gesellschaftsspiele, und ich habe buchstäblich nichts mit ihnen gemeinsam.
Und dann, eines Morgens im August, als Andy zur Arbeit gegangen ist und ich unversehens mitten in der Küche stehe und seine Müslischale in der Hand halte, die er achtlos auf dem Tisch hat stehen lassen, wird mir plötzlich klar, dass meine Abwehr kein unterschwelliges Gefühl mehr ist. Es sind ausgewachsene Atembeklemmungen. Ich stürze ans Spülbecken, werfe die Schale hinein und rufe voller Panik Suzanne an.
«Ich hasse es hier!», sage ich und kämpfe mit den Tränen. Dadurch, dass ich die Worte laut ausspreche, verfestigt sich das Gefühl; jetzt ist es offiziell.
Suzanne sagt mit beruhigender Stimme: «Ein Umzug ist immer schwer. Hast du New York nicht am Anfang auch gehasst?»
«Nein.» Ich lehne an der Spüle, und fast genieße ich es, mich als unterdrückte Hausfrau zu fühlen. «An New York musste ich mich gewöhnen. Zuerst war ich überwältigt … aber ich habe es nie gehasst. Nicht so wie das hier.»
«Wo liegt das Problem?», fragt sie, und einen Augenblick lang glaube ich, sie meint es aufrichtig, bis sie fortfährt: «Ist es der liebende Gatte? Das riesige Haus? Der Pool? Dein neuer Audi? Nein, warte – bestimmt liegt es daran, dass du morgens immer ausschlafen musst und nicht aufzustehen und zur Arbeit zu gehen brauchst. Stimmt’s?»
«Hey, Moment mal», sage ich. Sie tut so, als wäre ich nur eine verwöhnte Göre, wie eine Celebrity, die über den Mangel an Privatsphäre jammert und findet, dass sie ein sooo hartes Leben führt. Trotzdem rede ich weiter, denn ich finde, dass meine Gefühle berechtigt sind. «Es macht mich wahnsinnig, dass keine Agentin mich mit irgendeinem Job anruft und ich meine Tage damit verbringe, die Magnolien in unserem Garten zu fotografieren – oder Andy, wie er mit seinem Werkzeugkasten im Haus herumpüttert und so tut, als mache er sich nützlich … oder die Kinder, die an der Ecke Limonade verkaufen, bis das Kindermädchen mich anfunkelt, als wäre ich so was wie ein Sittenstrolch … Ich will arbeiten –»
«Aber du musst nicht arbeiten», unterbricht Suzanne. «Das ist ein Unterschied. Glaub’s mir.»
«Ich weiß. Ich weiß, dass ich in einer glücklichen Lage bin. Ich weiß, ich sollte entzückt
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