Maenner fuers Leben
Von ihnen. Von all dem.
Einen Augenblick lang denke ich daran, es Suzanne anzuvertrauen. Aber wenn ich das tue, ist das Spiel aus. Ich werde es nie zurücknehmen oder abmildern können, und eines Tages, wenn das Unwetter sich verzogen hat, wird meine Schwester es mir vielleicht sogar unter die Nase reiben. So etwas ist schon vorgekommen.
Also sage ich nur: «Mit Margot ist alles in Ordnung. Wir reden immer noch ständig miteinander … Aber irgendwie sind wir nicht auf derselben Wellenlänge … Sie geht so komplett in dieser Schwangerschaft auf – was ja auch verständlich ist, nehme ich an …»
«Glaubst du denn, du kommst auch bald auf diese Wellenlänge?» Natürlich meint sie unsere Pläne zur Gründung einer Familie.
«Wahrscheinlich. Warum soll ich nicht ein paar Gören in die Welt setzen? Wir hocken ja jetzt schon hier herum, als ob wir welche hätten. Ich dachte eben noch an den Abschiedsabend … Unsere Freunde in New York, die Kinder haben, lassen das Elterndasein so erträglich aussehen. Sie wirken dabei völlig unverändert – immer noch die gleiche Kombination aus unreif und kultiviert. Hipsters eben. Urbaner Mainstream. Gehen immer noch in gute Konzerte und brunchen in coolen Restaurants.»
Seufzend denke ich an Sabina, die mit ihren Drillingen nicht auf den Spielplatz und in alberne Musikstunden geht, sondern sie ins MoMa und zum CMJ Film Festival mitschleppt. Und statt ihnen gesmokte Puffärmel-Kleidchen anzuziehen, steckt sie sie in schwarze T-Shirts und Jeans aus Öko-Baumwolle, macht sie zu Mini-Sabinas und verwischt die Grenzen zwischen den Generationen.
«Aber hier scheint das Gegenteil der Fall zu sein.» Ich rede mich allmählich in Rage. «Alle sind komplett erwachsen , schon bevor sie Kinder haben. Es ist wie in den fünfziger Jahren, als die Leute sich mit einundzwanzig in ihre Eltern verwandelten. Ich spüre, dass wir es auch tun, Andy und ich. Es gibt kein Geheimnis mehr, keine Herausforderung, keine Passion, keine Schärfe. Das ist es einfach, verstehst du? Das ist unser Leben von jetzt an. Nur ist es Andys Leben. Nicht meins.»
«Er ist also froh, dass ihr umgezogen seid?», fragt Suzanne. «Er bereut den Kauf nicht?»
«Nein. Er ist begeistert. Er pfeift noch mehr als sonst. Er pfeift im Haus. Pfeift im Garten und in der Garage. Pfeift, wenn er zu Daddy ins Büro geht oder zum Golfspielen mit seinen Good Old Boys.»
«Good Old Boys? Ich dachte, du hättest gesagt, in Atlanta gibt es keine Rednecks?»
«Ich rede nicht von ‹Good-Old-Boy›-Rednecks. Ich rede von den Kotzkannen aus der Studentenverbindung.»
Suzanne lacht, und ich spüle ein paar übriggebliebene Müsli-Körnchen in den Tümpel aus Milch, so rosa wie ein Osterei, der im Abfluss steht. Ich habe Andys Lieblingsfrühstück einmal niedlich gefunden, aber in diesem Augenblick frage ich mich nur, welcher erwachsene, kinderlose Mann eigentlich pastellfarbene Frühstücksflocken mit einem Cartoon-Häschen auf der Schachtel isst.
«Hast du ihm gesagt, wie es dir geht?», fragt meine Schwester.
«Nein. Das hat keinen Sinn.»
«Ehrlichkeit hat keinen Sinn?», fragt sie sanft.
Es ist das, was ich ihr immer sage, wenn sie und Vince Probleme haben. Sei offen. Teile deine Gefühle mit. Sprich alles aus . Plötzlich fällt mir auf, dass nicht nur unsere Rollen umgekehrt sind, sondern dass es auch leichter gesagt als getan ist, was ich ihr da rate. Es kommt einem nur leicht vor, wenn man relativ geringfügige Probleme hat. Und im Moment sind meine Probleme alles andere als geringfügig.
«Ich will nicht, dass Andy sich schuldig fühlt», sage ich – und das ist die komplizierte Wahrheit.
«Na ja, vielleicht sollte er sich schuldig fühlen», sagt Suzanne. «Er hat dich zu dem Umzug gezwungen.»
«Er hat mich zu gar nichts gezwungen.» Es beruhigt mich, dass ich das Bedürfnis habe, Andy in Schutz zu nehmen. «Er hat mir jede Menge Türen offen gelassen. Ich habe sie einfach nicht benutzt … Ich habe einfach keinen Widerstand geleistet.»
«Tja, das war dumm», sagt sie.
Ich wende mich von der Spüle ab und fühle mich, als wäre ich zehn, als ich antworte: «Selber dumm.»
Dreiundzwanzig
Ein paar Tage später liefert Oprah Winfrey die Geräuschuntermalung, während ich meiner Zwangsstörung nachgebe und glänzende weiße Etiketten für unsere Küchenschubladen beschrifte. Als ich das Wort Bratenwender drucke, klopft es an der Hintertür. Ich schaue auf und sehe Margot durch die Fensterscheibe.
Bevor ich
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