Maenner fuers Leben
getrunken habe. Vielleicht sieht heute Morgen alles ganz anders aus. Das sagte meine Mutter immer wieder, und als wir auf Margot und Webb zugehen, die sich schon am Gate niedergelassen haben, drücke ich mir die Daumen, dass dieser Tag sich nicht als Ausnahme von dieser Regel erweist.
Ich atme tief durch und trompete ein präventiv begeistertes Hallo. Hoffentlich klingt es nicht so steif, wie ich mich fühle.
Wie immer steht Webb auf und küsst mich auf die Wange. «Morgen, Darling!»
Margot, perfekt gekleidet – marineblauer Pullover, eine schneeweiße Hose und kirschrote flache Schuhe, die zu ihrem Lippenstift passen –, blickt von einem Nicholas-Sparks-Roman auf und lächelt. «Hey! Guten Morgen! Wie war der Rest der Nacht?»
Ihre blauen Augen wandern von mir zu Andy und wieder zu mir, und weder ihr Gesichtsausdruck noch ihr Tonfall, noch ihr Benehmen lässt darauf schließen, dass sie wütend oder aufgebracht ist. Im Gegenteil, sie ist ganz wie immer – warmherzig und freundlich.
Eine Idee entspannter setze ich mich neben sie und gebe eine ungefährliche Antwort. «Hat Spaß gemacht», sage ich munter.
«Ein bisschen zu viel Spaß.» Andy setzt sich an meine andere Seite und lässt unsere Bordtaschen auf den Boden fallen. «Wahrscheinlich hätte ich diesen letzten Whiskey um zwei Uhr morgens nicht mehr trinken sollen.»
Margot knickt ein winziges Eselsohr in die aufgeschlagene Seite ihres Buches und klappt es zu. «Wann wart ihr denn wieder im Hotel?», fragt sie.
Andy und ich sehen uns an und zucken die Achseln.
«Vielleicht um drei?», vermute ich, jetzt fast völlig entspannt.
«Ungefähr.» Andy massiert sich die Schläfen.
Margot verzieht mitfühlend das Gesicht. «Ich muss sagen … das ist mit das Beste an einer Schwangerschaft. Neun Monate lang keinen Kater.»
«Baby, du hattest seit neun Jahren keinen Kater», sagt Webb.
Ich muss lachen. Wahrscheinlich hat er recht. Tatsächlich kann ich an einer Hand abzählen, wie oft Margot und ich auf dem College oder in den Zwanzigern die Kontrolle verloren haben. Und mit «Kontrolle verlieren» meine ich nicht Oben-ohne-Tanzen auf einer Party. Wir haben höchstens mal ein Paar tadellose Kontaktlinsen herausgenommen und ins Gebüsch geschnipst oder eine ganze Tüte Kartoffelchips auf einmal verputzt.
Wir plaudern ein Weilchen beiläufig und belanglos, und dann sagt Webb, er will noch eine Zeitung holen, bevor wir einsteigen. Andy geht mit, und plötzlich sind Margot und ich allein, und mir ist, als sei der Augenblick der Wahrheit gekommen.
Stimmt.
«Okay, Ellie», sagt sie hastig. «Ich kann’s nicht erwarten, mit dir zu reden.»
Wer hätte das gedacht? Ich werfe ihr einen Seitenblick zu und stelle fest, dass sie eher neugierig als vorwurfsvoll aussieht.
«Ich weiß», sage ich zögernd.
«Leo?» Sie schaut mich an, mit großen Augen und ohne mit der Wimper zu zucken.
Mein Magen macht einen kleinen Satz, als ich seinen Namen höre, und plötzlich wünsche ich, er hätte einen alltäglicheren Namen, Scott oder Mark zum Beispiel. Einen Namen, der weniger intensiv klingt, weil es noch so viele andere gibt, die so heißen, Freunde oder irgendwelche flüchtigen Bekanntschaften. Aber in meinem Leben gibt es nur einen Leo.
«Ich weiß», sage ich noch einmal, und um Zeit zu schinden, trinke ich einen großen Schluck Kaffee. «Ich hätte es eher erwähnen sollen … Ich wollte ja … aber der Umzug … dein Baby … Es gab so viel Ablenkung …»
Ich weiß, dass ich stammle, und Suzanne würde wahrscheinlich sagen, dass ich jetzt das «winselnde Angsthäschen» bin. Also nehme ich mich zusammen und versuche es anders. «Aber es ist wirklich nicht so, wie es aussieht. Ich … ich bin ihm irgendwann auf der Straße begegnet, und wir haben uns sehr kurz unterhalten … Und dann ruft er meine Agentin an und hat mir den Job mit Drake angeboten. Das war’s eigentlich schon.»
Das ist die Wahrheit – genug davon, um kein allzu schlechtes Gefühl dabei zu haben, dass ich die Geschichte gekürzt und das Wiedersehen in L.A. und nachher im Flugzeug weggelassen habe.
Margot ist sichtlich erleichtert. «Ich wusste , dass es so etwas gewesen sein muss», sagt sie. «Ich habe nur … wahrscheinlich habe ich gedacht, du hättest es mir erzählen können.» Den letzten Satz fügt sie behutsam hinzu, und er klingt eher enttäuscht als tadelnd.
«Ich hatte es wirklich vor … und ich wollte es tun, bevor die Nummer erscheint.» Ich weiß nicht genau,
Weitere Kostenlose Bücher