Maenner in Freilandhaltung
gefühlt.«
»Das wollten wir nicht«, versicherten die Zwillinge.
»Ich weiß.« Abwechselnd drückte ich die Jungs noch einmal an mich.
Jan gab Daniel per Handy Bescheid, dass wir die Zwillinge gefunden hatten, dann machten wir uns auf den Heimweg. Auf der Rückfahrt versuchte ich, aus Finn und Lukas herauszubekommen, warum sie zu der alten Kastanie gefahren waren. Natürlich konnte ich mir an fünf Fingern ausrechnen, dass es etwas mit dem Baumgeist zu tun hatte. Doch sie wollten partout nichts verraten.
Als wir in den Wiesengrund einbogen, staunte ich nicht schlecht. Vor unserem Haus hatte sich ein großer Tross Helfer eingefunden, die alle an der Suche beteiligt gewesen waren. Sie bejubelten Lukas und Finn bei ihrer Ankunft wie Popstars. Nicht dass den beiden der Starruhm womöglich so gut gefiel, dass sie in Zukunft regelmäßig ausbüxten!
Nachdem Daniel seine Jungs überglücklich in Empfang genommen hatte, dankte er allen Freunden und Nachbarn mit einer Runde Jägermeister. »Ich wüsste gar nicht, was ich ohne eure Hilfe gemacht hätte«, sagte er sichtlich gerührt.
»Nicht der Rede wert«, »Ist doch selbstverständlich«, »Dafür hat man schließlich Nachbarn«, tönte es wild durcheinander, dann löste sich der Suchtrupp langsam auf. Einer nach dem anderen verabschiedete sich und ging heim.
Jan sah auf seine Armbanduhr. »Was machen wir denn jetzt mit dem angebrochenen Abend? Hast du Hunger?«
Stumm schüttelte ich den Kopf. Ich konnte mir nicht vorstellen, jemals wieder etwas zu mir zu nehmen. Mein Magen war wie zugeschnürt.
»Was meinst du, sollen wir auf den Schreck bei mir noch zusammen ein Glas Wein trinken?«
Überrascht stellte ich fest, dass Jan meine Hand hielt. Irgendwie fühlte sich das wunderbar tröstlich an. Und ich dachte gar nicht daran, sie ihm zu entziehen.
»Hm, ich weiß nicht ...«
»Geh ruhig«, ermunterte mich Daniel, der neben uns stand. »Ich glaube, du kannst nach der Aufregung gut ein bisschen Ablenkung vertragen. Außerdem schicke ich die Jungs sowieso gleich ins Bett. Ohne Abendessen«, erklärte er mit einem strengen Blick auf die Zwillinge, doch der liebevolle Klang seiner Stimme verriet ihn.
Wahrscheinlich würde er den Kindern vor dem Schlafengehen noch eine extragroße Portion Eiscreme spendieren, um den glücklichen Ausgang dieses Abenteuers zu feiern.
Buddy begrüßte Jan und mich schwanzwedelnd. War das derselbe Hund, der mich neulich noch mit gefletschten Zähnen vom Grundstück gejagt hatte? Nun war er zahm wie ein Lämmchen.
»Mach’s dir gemütlich«, forderte mich Jan auf und wies einladend auf die Terrasse. »Es ist noch so schön warm. Ich hol die Flasche Wein nach draußen.«
»Okay.«
Mit einem leisen Seufzer ließ ich mich auf die Gartenbank sinken. Erst jetzt, als ich zur Ruhe kam, spürte ich, wie erschöpft ich war. Ich fühlte mich, als sei eine ganze Traktorkolonne nebst Egge, Pflug und Güllewagen über mich hinweggerollt. Meine Augen brannten. Zum einen lag das bestimmt an der Müdigkeit, zum anderen aber auch an den Tränen, die ich bereits seit Stunden zurückhielt. Nachdem Jan im Haus verschwunden war, wich die Anspannung. Der Kloß in meinem Hals löste sich, und die Tränen bahnten sich gewaltsam einen Weg nach draußen. Anfangs versuchte ich noch, sie zurückzudrängen, aber ebenso gut hätte ich im Rhein einen Staudamm aus Wattebäuschchen errichten können. Die Flut war einfach nicht aufzuhalten.
Als Jan auf die Terrasse zurückkehrte, kauerte ich wie ein Häufchen Elend heulend und schniefend auf seiner Gartenbank. Wortlos stellte er die Weinflasche und die zwei Gläser, die er mitgebracht hatte, auf dem Tisch ab, setzte sich neben mich und nahm mich fest in den Arm.
»Hey, ist ja gut«, flüsterte er beruhigend und wiegte mich wie ein kleines Kind hin und her. »Wein ruhig. Du wirst sehen, danach geht’s dir besser.«
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ununterbrochen kullerten dicke Tränen meine Wangen hinunter.
»Stell dir mal vor, Lukas und Finn wäre was zugestoßen«, schluchzte ich.
»Ist es aber nicht. Den beiden geht’s gut«, versuchte Jan mich mit fester Stimme zu beruhigen. »Vermutlich schlafen die beiden Rabauken längst friedlich und träumen von ihrem Abenteuer.«
Darauf hätte ich nicht wetten wollen. Wahrscheinlich waren sie immer noch quietschfidel und hielten ihren Papa auf Trab. Ich sah ihre Gesichter vor mir, lachend, unbekümmert, vergnügt, unschuldig und völlig ahnungslos, welche
Weitere Kostenlose Bücher