Maenner in Freilandhaltung
wartet.«
Jans Gesichtszüge verhärteten sich. »Dieser Jemand ist nicht zufällig Simon?«
Meine Kinnlade gehorchte dem Gesetz der Schwerkraft und klappte nach unten. »Woher weißt du das?«
»Meinst du, ich habe nicht gemerkt, dass du mit allen Mitteln versucht hast, ein Gespräch zwischen uns zu verhindern?«
»War das so offensichtlich?«
»Nicht wenn wir Mastschweine wären.« Jans Stimme klang bitter. »Liebst du ihn?«
»Ich weiß es nicht«, sagte ich mit einem hilflosen Schulterzucken.
»Und was war das gestern Nacht zwischen uns beiden?«
»Ich weiß es nicht.« Na toll. Sah fast danach aus, als würde das meine neue Standardantwort. »Das Angebot von meinem Chef, das Verschwinden der Jungs – das war alles etwas viel auf einmal. Eine emotionale Ausnahmesituation, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Tut mir leid, da muss ich passen. Aber ich nehme an, es ist deine charmante Art, mir mitzuteilen, dass das, was zwischen uns passiert ist, ein Fehler gewesen ist?«
»So würde ich das nicht nennen ... Ich weiß ja selbst nicht so genau, was das zwischen uns beiden ist. Nachdem ich dich getroffen habe ... Also, das mit Simon ...«
»Hör auf.« Jan hob abwehrend die Hände. »Verschon mich bitte mit diesem Gequatsche. Mag sein, dass ich zu viel Zeit mit Hunden verbringe. Aber bei denen weiß man wenigstens, woran man ist. Genau wie sie bevorzuge ich klare Ansagen. Wenn du also weißt, was du wirklich willst, lass es mich wissen.«
Kapitel 21
Im Gegensatz zu mir wussten die Jungs genau, was sie wollten. Oder besser gesagt: was sie nicht wollten.
»Ich will das blöde Ding nicht anziehen!«, maulte Christopher und nestelte an dem steifen Kragen seines Hemdes herum.
»Genau! Wir wollen diese Hemden nicht anziehen«, stimmten die Zwillinge als Backgroundchor mit ein.
Eigentlich hätte ich mich freuen sollen, denn es kam selten genug vor, dass sich alle mal so einig waren.
»Die blöden Dinger sind unbequem. Außerdem kratzt der Stoff.«
Ich seufzte. »Hey, Jungs, macht es mir nicht so schwer. Ihr müsst die Hemden doch nur für ein, zwei Stunden tragen. Danach könnt ihr wieder in eure T-Shirts schlüpfen. Und eurer Oma würdet ihr bestimmt eine große Freude machen.«
»Warum freut sich Oma, wenn wir schwarze Hemden anziehen?«
»Das frage ich mich auch«, murmelte ich leise.
Mit Schrecken dachte ich an den bevorstehenden Friedhofsbesuch. Heute war Kerstins Todestag, und übermorgen hatte Christopher Geburtstag. Eine ziemlich makabere Laune des Schicksals.
»Warum freut sich Oma, wenn wir die Hemden anziehen?«, fragte Finn erneut und formte mit der Unterlippe ein Schublädchen.
»Weil sie uns die Dinger geschenkt hat«, kam Christopher mir zu Hilfe.
»Dann geben wir sie ihr eben wieder zurück.« Mit entschlossener Miene begann Finn, sein Hemd aufzuknöpfen. Ratlos, was ich jetzt tun sollte, ging ich hinüber ins Badezimmer, wo Daniel sich gerade vor dem Spiegel die Krawatte band.
»Die Jungs boykottieren Erikas Kleiderordnung. Sie weigern sich, die schwarzen Hemden anzuziehen.«
»Louisa! Dafür hab ich jetzt echt keinen Kopf. Außerdem ist dieser ganze Klamottenfirlefanz doch ohnehin mehr Frauensache, oder nicht? Ich bin sicher, du bekommst das mit viel Fingerspitzengefühl hin.«
Gut, dann würde ich jetzt mal mein Fingerspitzengefühl unter Beweis stellen. Ich baute mich drohend im Türrahmen des Kinderzimmers auf.
»Schluss jetzt! Die Hemden werden angezogen. Es sei denn, ihr wollt die ganze nächste Woche aufs Fernsehen verzichten.«
Na bitte, ging doch. Ich hatte lediglich gesagt, dass die Dinger angezogen werden mussten. Dass dies ohne Murren und Maulen geschehen sollte, hatte ich offenbar vergessen zu erwähnen. Mein Fehler.
Mein Fehler war es wohl auch gewesen, dass ich es versäumt hatte, die Kinder entsprechend auf den Friedhofsbesuch vorzubereiten. Als die ganze Familie – inklusive Patentante Rebecca – in einer kleinen Prozession zu Kerstins Grab zog, begannen die Zwillinge plötzlich über irgendetwas zu lachen. Sofort wurden sie von ihrer Oma scharf zurechtgewiesen.
»Das gehört sich nicht. Auf dem Friedhof wird nicht gelacht. Man muss den Toten Respekt erweisen.«
War ein fröhliches Lachen denn respektlos? Ich hingegen fand es eher wohltuend. Eigentlich kam es ohnehin schon fast einem Wunder gleich, dass die Kinder sich von der bedrückten Stimmung nicht anstecken ließen. Seit wir das Haus verlassen hatten, war Daniel kaum ein Wort über die Lippen
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