Maenner in Freilandhaltung
ich auf. Die junge Frau, die die Zwillinge tadelnd ansah, hatte ich bei all dem Trubel gar nicht bemerkt.
Sie trat einen Schritt vor und reichte mir die Hand. »Hallo, ich bin Rebecca.«
»Ich heiße Louisa«, stellte ich mich ebenfalls vor. Nicht, dass diese Rebecca womöglich auf die Idee kam, mich Lulu zu nennen.
In Sekundenbruchteilen scannte ich die Unbekannte: mittelgroß, schlank, ebenmäßige Gesichtszüge, heller Teint, dunkelbraune Rehaugen und eine wunderbare Lockenmähne, die ihr wie ein Wasserfall über die Schultern fiel. Leicht aus der Fassung gebracht, erwiderte ich ihren festen Händedruck. Allerdings konnte ich es mir nicht verkneifen, Daniel dabei einen fragenden, möglicherweise auch leicht vorwurfsvollen Blick zuzuwerfen. Jedenfalls fühlte dieser sich veranlasst, postwendend eine Erklärung abzugeben.
»Rebecca ist die Patentante der Jungs und eine gute Freundin.« Als ihm bewusst wurde, dass das womöglich ein wenig missverständlich klang, fügte er noch hinzu: »Eine Freundin des Hauses.«
»Dann kann das Haus sich ja glücklich schätzen.« Diese spitze Bemerkung konnte ich mir beim besten Willen nicht verkneifen. Eigentlich sah Rebecca auf den ersten Blick sehr sympathisch aus. Wie gesagt: eigentlich. Was mich jedoch auf Anhieb gegen sie aufbrachte, war die Tatsache, dass sie eine Frau war und als solche in Daniels Nähe nichts zu suchen hatte. Schließlich war es gerade mal ein paar Stunden her, dass Nina das Feld geräumt hatte, und schon befand Daniel sich in weiblicher Gesellschaft. Äußerst verdächtig! Es gab jedoch noch etwas, was mir gründlich an Rebecca missfiel: ihre Haare. Schon immer hatte ich von solch einer Lockenmähne geträumt und abwechselnd den lieben Gott und den Friseur angefleht, mir auch dazu zu verhelfen. Doch beide hatten passen müssen. Bei dieser Frau hingegen schien einer der zwei – ich tippte auf den lieben Gott, denn für eine Dauerwelle sah mir die Haarpracht viel zu natürlich aus – sich weitaus mehr ins Zeug gelegt zu haben. Das war unfair! Zähneknirschend riss ich mich von Rebeccas Haaren los und wandte mich wieder den Kindern zu.
»Fehlt da nicht einer?«
Ich wollte mir nicht gleich am ersten Tag nachsagen lassen, dass ich nicht bis drei zählen konnte. Den dritten im Bunde, Christopher, er musste acht oder neun Jahre alt sein, entdeckte ich mit einem Nintendo in der Hand im hinteren Teil des Wohnzimmers, der über zwei abwärtsführende Treppenstufen zu erreichen war. Hier standen der Fernseher und eine Couchecke, die genug Platz für eine ganze Fußballmannschaft bot. Fröhlich grinsend winkte Christopher mir vom Sofa aus zu. Wie ich aus Ninas Erzählungen wusste, war Christopher ein kluger, aufgeweckter Junge, der mir hoffentlich wenige Probleme bereiten würde.
»Möchtest du einen Kaffee?«, fragte Rebecca, die sich in der Rolle der Hausherrin und Gastgeberin zu gefallen schien, und machte eine einladende Geste Richtung Esstisch.
»Ja, gern«, sagte ich, obwohl es mich eigentlich viel mehr nach einer kalten Dusche als nach einem heißen Kaffee gelüstete. Aber schließlich war ich nicht zum Vergnügen hier.
Als ich vom Wohnzimmer aus beobachtete, wie selbstverständlich Rebecca sich in der offenen Küche bewegte, Tassen aus dem Schrank nahm und die Kaffeemaschine bediente, sprangen in meinem Kopf sämtliche Alarmglocken an.
»Lass nur, ich mach das schon.«
Daniel war Rebecca in die Küche gefolgt und nahm ihr das Tablett aus der Hand. Mit Argusaugen beobachtete ich, wie die beiden miteinander umgingen. Natürlich mussten sie sich das Tablett nicht zuwerfen – immerhin war der Kaffee heiß und das Porzellan zerbrechlich –, aber war es wirklich nötig, dass sie bei der Übergabe sekundenlang miteinander Händchen hielten? Und dann dieser Blick, den Daniel Rebecca dabei zuwarf. Schmachtend? Sehnsüchtig? Vielleicht steigerte ich mich aber auch bloß in etwas hinein, und Daniels Blick hatte in Wirklichkeit gar nicht Rebecca, sondern dem Kaffee gegolten. So oder so: Es war sicher nicht verkehrt, die beiden weiter im Auge zu behalten. Nina konnte sich auf mich verlassen. Und wenn ich wochenlang nicht duschen und wie ein Clochard stinken würde – Daniel und Rebecca allein zu lassen war viel zu riskant.
Als wir uns am Esstisch gegenübersaßen und ich Rebecca gerade ein wenig auf den Zahn fühlen wollte – schließlich war sie bislang meine Hauptverdächtige –, wurde ich von den Zwillingen ausgebremst.
»Duuu, Tante Lulu?« Lukas
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